Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
davon nichts?«, frage ich.
»Ich dachte, das wäre mit Ihnen abgesprochen«, sagt der Calabretta.
Ich schüttele den Kopf. »Ist es nicht.«
Hm. Kann ja mal passieren.
»Egal«, sage ich. »Wann knöpfen wir uns eigentlich Dr. Sackmanns Anwalt vor?«
Die Kollegen sehen mich etwas verständnislos an. Der Calabretta setzt sie ins Bild:
»Wir vermuten, dass er es war, der Sackmanns Kooperationsabsichten ausgeplaudert hat.«
»Er ist einfach der Einzige, der in Frage kommt«, sage ich. »Es sei denn, jemand von uns hat Kontakt zu den Herrschaften, die Henning Sackmanns Raubkatze aufgeschnitten haben.«
Gelächter.
Aber fröhlich hört sich das nicht an.
* * *
Oberstaatsanwalt Schubert wirkt müde und durchgesessen. Als wäre der stählerne Panzer, den er sonst immer trägt, irgendwo auf dem Weg zwischen dort und hier verloren gegangen. Er sieht aus wie der schwarze Ritter ohne Kostüm. Er tut mir fast ein bisschen leid, aber ich kann mich gerade noch im Zaum halten.
Er lehnt in der Nähe der Tür an der Wand, hat die Arme verschränkt und wartet offenbar darauf, dass wir berichten. Ich schaue den Calabretta an. Soll ich? Oder möchten Sie? Der Calabretta schürzt die Lippen, nickt mir zu. Das heißt so viel wie: Danke, ich mach schon.
Er baut sich vor der Magnetwand auf und fängt an, der Reihe nach acht Bilder von Männern an die Wand zu pinnen, rund um das Bild von der mutmaßlichen Tatwaffe, einer Mini-Uzi. Unter den Bildern steht jeweils eine stichwortartige Biographie des Abgebildeten. Was wir eben so von ihm wissen. Der Calabretta kuckt einmal in die Runde, dann sieht er Oberstaatsanwalt Schubert an.
»Das«, sagt er, »sind alle, die in den letzten zehn Jahren in Hamburg ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffengesetz anhängig hatten, im Moment auf freiem Fuß sind und im weitesten Sinne unserer Täterbeschreibung entsprechen. Wir waren da ziemlich großzügig.«
Er knetet kurz seine Hände und lässt seine Fingerknöchel knacken. Mein italienischer Kollege ist nervös. Die Jagd ist eröffnet.
»Und das«, sagt er und hängt nochmal fünf Bilder von fünf verschiedenen Männern auf, »sind eine Handvoll Stammkunden, die ständig mit kleineren Verstößen gegen das Waffengesetz auffallen. Passen nicht unbedingt in unserer Täterprofil, könnten uns aber vielleicht als Informationsquelle nützlich sein.«
»Aha«, sagt Oberstaatsanwalt Schubert, nickt und zieht die linke Augenbraue hoch.
»Diese dreizehn Männer«, sagt der Calabretta, »werden ab heute Mittag ausgiebig von uns belästigt. Und zwar so lange, bis wir einen brauchbaren Hinweis darauf zu hören bekommen, wer unsere beiden Kollegen auf dem Gewissen haben könnte.«
»Gefällt mir gut«, sagt Oberstaatsanwalt Schubert, »das Milieu ordentlich aufscheuchen. Die sollen ruhig merken, dass ein Polizistenmord für alle ganz, ganz schlecht ist.«
Schubert macht keine Anstalten, sich wirklich zu uns in den Raum zu begeben und seinen Platz an der Tür aufzugeben. Die Schatten um seine Augen wirken im kalten Licht des Regensommers anthrazitfarben.
»Irgendein Lebenszeichen von diesem verschwundenen Immobilienkönig Sackmann?«, fragt er.
»Nein«, sage ich. »Wenn wir hier fertig sind, machen Kommissar Calabretta und ich uns auf den Weg zu seinem Anwalt. Wir glauben, der hat wen auch immer informiert, dass Sackmann mit uns reden wollte.«
Oberstaatsanwalt Schubert nickt und sagt leise: »Das könnte natürlich sein.«
Er macht ein nachdenkliches Gesicht, das ich höchst ungewöhnlich finde. Ich traue diesem Mann einfach nicht zu, dass ihm irgendwas wichtig ist.
»Sackmanns Anwalt ist der einzige, der als undichte Stelle in Frage kommt«, sagt der Calabretta und krempelt die Ärmel seines hellbraunen Hemds hoch.
Oberstaatsanwalt Schubert nickt.
»Gut. Schnappen Sie sich den Mann.«
* * *
Unsere Männer sind in Zweierteams unterwegs. Sie ziehen den Kiez auseinander und versuchen so schnell wie möglich an die Waffenganoven ranzukommen. Der Inceman und der Tschauner sind auf der Reeperbahn, der Schulle und der Brückner nördlich davon und rund ums Millerntor, der Kringe und der Bartels südlich der Reeperbahn und rund ums Nobistor.
Der Calabretta und ich fahren an der Alster entlang. Die Kanzlei von Dr. Sebastian Diekmeier liegt am Mittelweg, im feinen Pöseldorf. Früher war die Ecke mal schön und auf eine unaufdringliche Art verwunschen, heute ist sie eher fies. Die Leute halten ihr Geld zum Fenster raus und lassen
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