Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
es im Wind wehen. Erstens, weil sie so viel davon haben, dass es egal ist, wenn mal was in den Vorgarten fällt. Zweitens, damit es jeder sehen kann. Der Calabretta parkt seinen Dienstwagen diskret in einer der kleineren Seitenstraßen. Wir wollen nicht gleich den Dicken machen und auffallen.
Es ist immer noch trocken, die Wolken haben sogar Risse bekommen, aber da weht ein amtlicher Wind aus Nordost. Als wir in den noblen, geschäftigen Mittelweg einbiegen, ziehe ich meinen Mantel an und schlage den Mantelkragen hoch, der Calabretta steckt die Hände in die Taschen seiner abgeliebten Lederjacke. Ich muss kurz grinsen, weil mir bewusst wird, wie wir aussehen. Als hätte jemand Inspector Columbo in zwei Teile geschnitten und auf einen Mann und eine Frau verteilt. Die Frau trägt den knittrigen Trenchcoat, der Mann das ungebügelte Gesicht. Beide sind etwas löchrig in der Herzgegend. Und so verdammt altmodisch. In einer Straße wie dieser, in der alles glänzt und jede Falte sofort glattgezogen wird, sind wir Aliens, der Calabretta und ich.
Wir laufen an einem Laden vorbei, in dem es Pelzmäntel für Hunde zu kaufen gibt. »Pffh«, macht der Calabretta und schüttelt den Kopf. Ich stecke mir keine Zigarette an, denn die Kanzlei Dr. Diekmeier liegt genau neben der Hundepelzboutique.
* * *
Diekmeiers Sekretärin trägt einen dünnen rosa Pulli, einen kurzen beigen Rock, beige Pumps, beige glänzende, lange Haare und eine operierte Nase, die etwas zu klein geraten ist. Insgesamt sieht sie aus, als würde sie konsequent daran arbeiten, immer kleiner zu werden. Ihre Stimme ist leise und piepsig. Die Frau ist ein entfärbter Kanarienvogel. Und sagt, sie hätte keine Ahnung, wo ihr Chef ist.
»Er ist vor einer halben Stunde gegangen«, flüstert sie, obwohl niemand hier ist, der uns belauschen könnte.
»Hat er gesagt, wann er wiederkommt?«, frage ich. Sie schüttelt den Kopf. Sie macht nicht den Eindruck, als ob sie sich Menschen merken könnte, die nicht sofort mit Visitenkarten um sich schmeißen. Also schiebe ich ihr meine Karte rüber, zur Sicherheit. Wir haben uns zwar laut und deutlich vorgestellt, aber nur meine Telefonnummer zu hinterlassen erscheint mir riskant. Sie würde uns sofort wieder vergessen. Diese Frau bettelt darum, gefälligst beeindruckt zu werden.
»Richten Sie Herrn Diekmeier bitte aus, dass er sich schnell bei uns melden soll.«
»Wir bleiben hier in der Nähe«, sagt der Calabretta, und das sagt er sowohl zu ihr als auch zu mir.
Die Sekretärin piepst einmal zum Abschied, ich habe nicht verstanden, was es heißen sollte.
* * *
Wir sitzen auf einer weißen Bank an der Alster, sehen dem im Gegensatz zur eher orientierungslos aufgewühlten Elbe sehr geordneten Wellenschlag zu und denken nach, als kurz hintereinander zuerst Diekmeiers Vogelsekretärin und dann der Inceman anrufen. Das Vögelchen mich, der schöne Türke den Calabretta. Dr. Diekmeier sei jetzt wieder da, zwitschert das Vögelchen.
»Wir kommen sofort«, sage ich.
Der Inceman berichtet dem Calabretta von zwei Kandidaten, die er auffällig nervös fand und die wir uns nochmal genauer ansehen sollten. Er hat sie unter wilden Andeutungen für morgen in die Wache an der Lerchenstraße bestellt. Das ist okay, das hätte ich auch so gemacht. Trotzdem fühle ich mich, als würden wir in einer Zeitschleife aus Aktionismus feststecken. Als wäre das alles umsonst. Wir finden in einer Tour neue Ermittlungsansätze, aber das Einzige, was wir haben, sind zwei tote Polizisten, einen verschollenen Kronzeugen und eine böse Ahnung. Verdammte Hacke.
Wir marschieren schweigend zurück zu Diekmeiers Kanzlei. Ich weiß, dass es dem Calabretta genauso geht wie mir. Wir haben uns nur bisher nicht getraut, es auszusprechen. Und auch, wenn ich es überhaupt nicht beim Namen nennen kann: Ich habe das dumpfe Gefühl, dass hier was kolossal schiefläuft. Und ich glaube, dass der verschwundene Sackmann der Schlüssel zu allem ist. Der Moment, in dem wir den toten Luchs im Garten gefunden haben, das war der Punkt, ab dem alles anfing, uns zu entgleiten.
»Hier läuft was schief«, sage ich zum Calabretta, als wir die Stufen zur Kanzlei hochsteigen.
Er sieht mich an und sagt: »Ich weiß. Das läuft so beschissen schief, wie es nur schieflaufen kann. Aber wir müssen Geduld haben, Chef. Wir müssen überall sein und uns auf die Lauer legen. Und irgendwann kriegen wir irgendwen zu packen.«
Diese Steintreppen hier sind so blankpoliert und kalt
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