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Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)

Titel: Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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schummrigen Kronleuchter um die Kundschaft kümmert, sitzt der andere hinten in der Schneiderwerkstatt und näht. Aber welcher von den beiden was macht, kann ich nicht mehr sagen. Ich weiß nur: Die Jungs sind Könner. Ihr Laden hat auch eher was von einem Herrenausstatter als von einer Schneiderei. Zum Sitzen gibt es alte braune Kinostühle und für die Wände rotgoldene Tapeten. In eleganten Glasvitrinen stehen Postkarten und Dankesbriefe von Hamburger Musikern und Theaterleuten, die der Kunst der Zwillinge vertrauen.
    Wir grätschen gerade eben noch rein, sie sind im Begriff zu schließen, der Vorneschneider räumt schon die Sachen zusammen.
    »Notfall«, sage ich und schiebe Carla vor mir her.
    Der Vorneschneider lächelt zart, und das ist wirklich das charmanteste Lächeln der ganzen Straße. Ich mag es ja sowieso, wenn Männer um die sechzig auf ihre alten Tage nochmal ein Lächeln auspacken.
    »Wie kann ich den Damen helfen?«
    Die Zwillinge sprechen mit leichtem südeuropäischen Akzent, den ich aber keinem Land zuordnen kann.
    »Ich heirate am Samstag«, sagt Carla. »Und ich brauche ein Kleid.«
    Der Vorneschneider nickt und fängt sofort an, vorsichtig bei Carla Maß zu nehmen. Der Hintenschneider pütschert in der Werkstatt herum und winkt uns kurz zu. Ich grüße zurück.
    »Gut«, sagt der Vorneschneider, rollt das Maßband ein und macht sich ein paar schluffige Notizen auf einem kleinen gelben Block. »Ich fahre morgen los und schaue, was ich finden kann. Das könnten wir dann auch bis Samstag noch ändern, wenn es nicht passt.«
    Wo er hinfährt, sagt er nicht.
    Carla wirkt skeptisch. Ich lege ihr den Arm auf die Schulter.
    »Er wird genau das finden, was du brauchst«, flüstere ich ihr zu.
    »Welche Farbe?«, fragt er. »Nicht weiß, oder?«
    Carla schüttelt den Kopf.
    »Weiß muss nicht sein«, sagt sie und zwirbelt eine Haarsträhne zwischen ihren Fingern.
    »Rot?«, fragt er, aber jetzt wirkt er skeptisch und macht die Augen klein.
    Carla schüttelt nochmal den Kopf und sieht mich an. »Nein. Rot ist Flamenco. Ich bin doch eher Fado, oder?«
    Also. Carla ist zwar Portugiesin, die ersten acht Jahre ihres Lebens hat sie auch in Lissabon verbracht, und tatsächlich schleichen oft sehnsüchtige portugiesische Melodien durch ihr kleines Café am Hafen, aber ob sie deshalb wirklich Fado ist? Sie ist schon bodenständig und gefühlvoll. Aber ihr Beat geht anders. Zackiger. Sie wechselt ständig und unvorhersehbar die Richtung.
    »Du bist Tango«, sage ich und der Schneider sagt: »Ja. Sie ist Tango. Also schwarz oder schwarzweiß. Richtig?«
    Carla nickt. Doch. Das ist ein Nicken.
    »Kommen Sie morgen Abend wieder, Madame, um die gleiche Zeit«, sagt er, lächelt jetzt sehr, sehr leise und schiebt uns freundlich, aber bestimmt aus seinem Laden. Dann schließt er ab und macht den Kronleuchter aus.
    »Na«, sagt Carla, »da bin ich aber mal gespannt. Was machst’n jetzt noch?«
    Hm. Mir wäre nach Bier. Ich weiß aber nicht so recht.
    »Ich weiß nicht so recht«, sage ich.
    » Ich kuck mal in die Blaue Nacht «, sagt sie, »Rocco hat heute Schicht.«
    Ich hab keinen Bock auf Kneipe.
    »Ich hab keinen Bock auf Kneipe«, sage ich, und ich finde es äußerst merkwürdig, mich das tatsächlich sagen zu hören. Klatsche hat vorhin kurz angerufen und gesagt, dass er heute Abend zu Hause ist.
    »Ich hab Bock auf Klatsche«, sage ich.
    »Recht haste«, sagt Carla.
    Wir biegen gemeinsam um die Ecke, und da oben, zwei Häuser weiter im dritten Stock, sehe ich ihn auch schon auf seinem Balkon stehen. Das heißt, eigentlich ist Klatsche kaum zu sehen, da ist vor allem Rauch, sehr viel Rauch.
    »Aha«, sagt Carla, »der Herr grillt offensichtlich. Aber wieso qualmt das so?«
    »Zu viel Feuchtigkeit in der Luft«, sage ich und schlage meinen Mantelkragen hoch. Auch wenn es nur noch nieselt, fühlen sich nach einem Tag mit einem gnadenlosen Atlantiktief alle Knochen klitschnass an.
    »Na dann«, sagt Carla und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
    »Na dann«, sage ich.
    Ich bleibe noch eine Weile vor unserer Haustür stehen und schaue ihr hinterher. Wie sie in Clogs und Kleid die Straße entlang schwingt, Hüfte links, Hüfte rechts, klack, klack. Irgendwie versetzt mir der Gedanke, dass sie am Wochenende heiraten wird, einen Stich.
    Ich hab Angst vor Hochzeiten.

    * * *

    Klatsche hat eine alte Matratze ins Balkonzimmer gelegt, direkt an die Balkontür. Provisorische Balkonvergrößerung bei Regen. Wir liegen auf dem

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