Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
dunkelblond. Beide trugen eine Art Schläger-Uniform, was man in dem Job eben so trägt heutzutage. Hellblaue Jeans, schwarzes T-Shirt, schwarzes Jackett, schwarze Turnschuhe. Die Waffe, die der Dunkelblonde trug, war meiner Ansicht nach eine Beretta.«
Der Calabretta zieht anerkennend die Mundwinkel nach unten. »Sonst noch was?«
»Osteuropäischer Akzent, zumindest der, der geredet hat, von dem anderen weiß ich es ja nicht.« Diekmeier lächelt ein winziges Lächeln. »Und ich habe ein Autokennzeichen.«
»Das ist ja’n Ding«, sage ich.
»Nachdem die beiden meine Kanzlei verlassen haben«, sagt Diekmeier, »bin ich ihnen hinterher. Ich wollte nicht einfach so eingeschüchtert werden und dann reglos an meinem Schreibtisch sitzen bleiben. Ich fand das unerhört.«
Diekmeier ist ein lupenreiner Hamburger Bürger. Und wenn sein Vater ihn gelassen hätte, wäre er vielleicht sogar lieber Polizist als Anwalt geworden. Er greift in die Innentasche seines Jacketts, zieht sein Telefon raus, tippt drauf rum und sagt: »Haben Sie was zu schreiben?«
Der Calabretta zückt Block und Stift.
»HH NP 2307, ein schwarzer Mercedes C-Klasse.«
»Ist notiert«, sagt der Calabretta. »Wir kümmern uns darum und halten Sie auf dem Laufenden.«
»Ich Sie auch«, sagt Diekmeier. »Vielleicht meldet sich Dr. Sackmann ja noch bei mir.«
»Das glaube ich nicht«, sagt der Calabretta, und ich weiß nicht, ob Diekmeier begreift, was der Calabretta damit meint. Ob er überhaupt ansatzweise ahnt, mit wem wir es hier womöglich zu tun haben. Und wer Sackmann aus dem Weg geschafft hat.
»Ich möchte, dass Sie meine Telefonnummer speichern«, sage ich. »Und dass Sie mich anrufen, sobald Ihnen irgendwas komisch vorkommt.«
Diekmeier nickt.
»Außerdem werden wir zwei Kollegen in Zivil abstellen, die ein bisschen auf Sie aufpassen«, sage ich.
»Danke«, sagt er. »Aber ist das denn nötig?«
»Ich möchte es nicht darauf ankommen lassen«, sage ich. »Die Kollegen kommen dann noch heute bei Ihnen vorbei. Damit Sie Bescheid wissen, wer Sie im Auge hat.«
»In Ordnung«, sagt Diekmeier.
Wir verabschieden uns, mit einem Autokennzeichen in der Tasche. Und der Frage im Kopf, wer wohl als Nächstes zum Schweigen gebracht werden soll. Hoffentlich kommt der nette Anwalt heil aus der Sache raus.
»Es geht hier nicht nur um den Mord an den beiden Polizisten«, sagt der Calabretta. »Es geht um etwas, das viel größer ist, schwarz und ekelerregend. Es breitet sich immer mehr aus. In uns und in unserer Stadt.«
Und im Zentrum der ganzen Schweinerei sitzt der Albaner wie die Spinne in ihrem Netz. Ich sehe nach oben. Die Wolkendecke ist wieder dichter geworden.
* * *
Wir sind im Präsidium, unsere Jacken und Mäntel liegen kreuz und quer auf den Tischen, der Regen pütschert unpassend gelangweilt vom Himmel. Wir durchkämmen die Hamburger Zulassungsdaten, und es ist, wie es ist: Das Autokennzeichen HH-NP-2307 ist nicht vergeben. Es war mal vergeben, an eine Mirjeta Krasniqi und einen schwarzen Mercedes. Der Mercedes wurde vor zwei Jahren als gestohlen gemeldet. Seitdem ist das Kennzeichen tot. Wir haben es bei dem schwarzen Mercedes, den Diekmeier gesehen hat, also mit einem Geisterauto zu tun, das Kennzeichen ist eine Doublette. Das ist für uns allerdings nicht so aussichtslos, wie es klingt. Mirjeta Krasniqi kennen wir nicht, aber wir kennen Kushtim Krasniqi, Mirjetas Ehemann. Und Krasniqi ist eine der vielen rechten Hände des Albaners.
»Na also«, sagt der Calabretta. »Geht los jetzt.«
Der Inceman schnappt sich seine Lederjacke und sagt zum Calabretta: »Kommen Sie, ich weiß, wo wir Krasniqi finden.«
Der Calabretta springt auf, der Tschauner auch.
»Halten Sie hier Wache, Chef?«
Klar. Wache halten kann ich super.
* * *
Heute Abend: keine einzige Couch auf der Straße. Keine Sonnenschirme. Es gewittert. Die Blaue Nacht zittert im Wetter. Früher war es mal so, dass ein Gewitter Sonne und Hitze brauchte, um entstehen zu können. Inzwischen ist das wohl nicht mehr so, wochenlanger Regen ist vollkommen ausreichend. Und eben ist der Strom ausgefallen. »Klack« hat es gemacht, dann war es an der Theke so dunkel wie in meinem Kopf nach sieben Wodka Tonic. Klatsche zündet Kerzen an und stellt sie auf den Tresen und die Tische. Die paar Gäste, die es bis hierher geschafft haben, rutschen näher zusammen. Klatsche und ich auch. Wir setzen uns auf die prusselige Draußencouch, die Asyl unter einem Fenster gefunden hat.
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