Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
portugiesische Eierhörnchen. Carla hat sogar Marmelade rausgerückt, Himbeere oder so.
Es ist ihr kaum anzumerken, dass sie in ein paar Stunden heiratet. Sie tut im Grunde so, als wäre gar nichts. Wir trauen uns nicht mal, sie darauf anzusprechen. Merkwürdig. Ich hatte erwartet, dass meine wilde Freundin aufgebracht durch ihr Café stürmt. Oder zumindest einen kleinen Wahnsinn durchschimmern lässt. Carla ist kein Mensch, der so was zurückhalten würde. Vielleicht ficht sie aber auch nur dieses Standesamtding nicht wirklich an. Dieser Behördenscheiß, der sie als inneren Punk einfach überhaupt nicht kratzt. Und morgen in der Kirche fährt dann ihr Temperament Karussell.
»Die iberischen Damen halten sich gerne mal bedeckt, wenn es um Privates geht«, sagt derFaller wichtig und rührt in seinem Kaffee.
»Aha«, sage ich und glaube ihm kein Wort.
»So«, sagt der Faller, als er zu Ende gerührt und einen Schluck getrunken hat. »Worum geht’s denn bei Ihnen, mein Mädchen?«
Der merkt natürlich, dass mir was auf die Seele drückt. Eigentlich will ich ihm nichts von alldem erzählen. Ich möchte ihn am liebsten raushalten aus sämtlichen Albanergeschichten, aus dem ganzen Dreck, der da hochkommt. Genau genommen darf er ja auch gar nichts davon wissen. Und wenn er zehnmal der beste Bulle von ganz Hamburg war, jetzt ist er keiner mehr. Er ist lediglich eine gut bezahlte Honorarkraft, die für die Polizei engen Kontakt zu den Kiezgastronomen unterhält. Alles, was darüber hinausgeht, geht ihn nichts an.
Aber natürlich kann ich meine Schnauze nicht halten.
Und das ist eben unser unausgesprochener Deal: Er tut so, als wäre er mein Vater, und ich halte ihn auf dem Laufenden.
Als ich bei der Immobilienlobby angekommen bin, hört er auf, in seinem Milchkaffee zu rühren.
» Haben Sie gerade Sackmann gesagt?«
»Ja«, sage ich. »Kennen Sie den?«
»Nicht persönlich«, sagt der Faller. »Aber ich weiß, wen er kennt.«
»Wen denn?«
Der Faller sieht aus dem Fenster, als würde er die nasse Straße dazu bringen wollen, zu trocknen.
»Wen, Faller?«
Und dann ist mir auch schon klar, an wen er denkt. Ich kann es an seinem Blick erkennen, und ich hab ja auch irgendwie damit gerechnet: Es geht um den Albaner. Wenn der Albaner dem Faller im Kopf herumgeht, ist der Blick meines alten Kollegen in Sekundenschnelle wie einbetoniert. Starr und verschlossen und vollkommen glanzlos. Dann gehen seine Gedanken zurück in die Zeit, als er so was wie der Bullenkönig von Sankt Pauli war, als er mit den Regeln und den kleinen Gangstern spielen konnte, wie es ihm gepasst hat, als er dachte, dass er damit auch den Albaner kriegen würde. Dass er der sein würde, der den großen Gangster schnappt. Aber der Albaner hat den Spieß umgedreht. Wollte nicht die Beute sein, sondern der Jäger.
Und eines Nachts dann, als der Faller und ich das Kiezkönigtum wieder mal richtig auskosteten, als wir die Gläser bis zum letzten Tropfen leerten, hat uns da jemand was reingetan. Als wir morgens wieder aufgewacht sind, lagen wir in der Hafenstraße, ich auf einer Kneipenbank, der Faller in einer Wohnung auf einem verranzten Bett. Neben ihm lag ein totes Mädchen in Unterwäsche und ein kurzer Brief vom Albaner, in dem stand, dass der Faller sich verpissen soll. Seitdem trinkt er keinen Alkohol mehr. Und auf den Kiez hat er sich jahrelang nicht getraut. Nicht aus Angst vor dem Albaner, nein, vor Bösewichten hat der Faller keine Angst. Aus Angst davor, herauszufinden, was in der Nacht wirklich passiert ist. Und davor, in dieser Geschichte selbst der Bösewicht zu sein.
Der Albaner hat den Faller damals vom Thron gestürzt, und damit nicht genug, er hat ihn an den Eiern übern Kiez gezogen und dafür gesorgt, dass der Mann ins Wanken geraten ist.
Ich trinke einen Schluck Kaffee und warte darauf, dass der Faller was sagt, weiß aber auch, dass das durchaus noch dauern kann. Der Faller starrt erst mal weiter die Straße an. Und dann kommt’s irgendwann.
»Sackmann hat sich vor vielen Jahren mal ordentlich am Baccara-Tisch verzockt«, sagt er, »und hatte daraufhin enorme Spielschulden beim Albaner. Und wenn ich sage enorm, dann meine ich: enorm. Die Herren spielen um Beträge, die komplett außerhalb unserer Vorstellungskraft liegen.«
»Woher wissen Sie das?«, frage ich.
Der Faller sieht mich an.
»Kleiner Nebenschauplatz meiner sehr, sehr langen Jagd nach dem Herrn Superarschloch.«
Er fixiert wieder die Straße. Sie wird
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