Bullenpeitsche: Kriminalroman (Droemer) (German Edition)
Klatsche legt seinen Arm um mich, trinkt ein Bier, und ich frage ihn ein bisschen nach Krasniqi aus. Auch wenn es mir manchmal merkwürdig vorkommt, eine so große Nähe zu einem ehemaligen Kriminellen entwickelt zu haben, ist das nicht nur meiner ruhelosen Seele, sondern auch meinem Job zuträglich. Klatsche weiß oft einfach Dinge, die wir nicht wissen können.
Die Kollegen haben Krasniqi heute Nachmittag nicht erwischt, sie haben gefühlte siebzehn Läden auf den Kopf gestellt, in denen er wohl regelmäßig verkehrt, aber: nichts.
»Mir reicht’s langsam mit den Verschwundenen«, sage ich. »Vor einer Woche noch Hamburg, jetzt schon Bermuda-Dreieck.«
» Ich kenn’ den Herrn Krasniqi nicht persönlich«, sagt Klatsche, und ich denke Gott bewahre und ziehe an meiner Zigarette, »aber ich weiß, dass er in der Stadt ist.«
Klatsche weiß solche Sachen einfach immer.
» Waren deine Männer im Vespucci ?«, fragt er.
Ich nicke.
» Und in den Riverkasematten ?«
»Nein«, sage ich, »davon war nicht die Rede.«
»Angeblich macht er da neuerdings ab und an die Tür«, sagt Klatsche. »Warte mal.«
Er holt sein Telefon raus, verschwindet kurz hinter dem Vorhang, der Gastraum und Lager trennt. Zwei Minuten später sitzt er wieder neben mir auf der Couch und grinst mich von der Seite an.
»Schick deine Jungs runter zum Hafen«, sagt er. »Euer Päckchen ist abholbereit.«
Jetzt geh ich mal eben raus zum Telefonieren.
»Chef!«, sagt der Calabretta.
»Liegen Sie schon vor der Glotze?«
»Noch nicht«, sagt er. »Ich sitze in der Küche und hab mir gerade einen Teller Pasta gemacht.«
»Dann essen Sie mal schnell auf, Krasniqi steht an der Tür der Riverkasematten.«
Ich kann hören, wie der Calabretta die Gabel fallen lässt und sich ein Blaulicht auf den Kopf setzt.
»Den schnappen wir uns«, sagt er und hat schon aufgelegt.
Über der Statue von Hans Albers geht ein Blitz runter. Ich denke kurz darüber nach, mich todesmutig bis zu den Riverkasematten durchzuschlagen, aber ein neuer Blitz, der ins Haus gegenüber einschlägt und es einmal laut knallen lässt, als er alle Sicherungen raushaut, hält mich davon ab. Wichtig: Die Männer auch mal alleine machen lassen.
Als ich wieder reinkomme, hat Klatsche eine Landkarte auf dem Tresen ausgebreitet und angefangen, darauf rumzumalen. Er zeichnet irgendwas, das ich beim besten Willen nicht erkennen kann.
»Was soll das werden?«, frage ich.
»Ein Schiff«, sagt er, »das sieht man doch!«
Aha. Na ja. Wenn man ganz genau hinschaut, dann könnte das Dreieck auf dem Atlantik tatsächlich so was Ähnliches wie eine Dschunke sein.
»Wie findest du’s?«, fragt er.
Ich bin mir nicht sicher.
»Ist das Kunst?«
»Das ist unser Hochzeitsgeschenk für Carla und Rocco«, sagt er. »Ich hab die beiden eingebucht. Für nächsten Dienstag, bei einem Kapitän, der mir noch was schuldig war. Es geht mit dem Containerschiff nach New York und zurück.«
»Du bist ja ganz schlau«, sage ich.
»Oberschlau«, sagt er. »Dann ist mein verrückter Partner nämlich für sechs Wochen nicht in der Stadt.«
Seit die beiden Jungs damals im Knast zusammen Weihnachten gefeiert haben, ist klar, dass sie ein ganzes Leben lang Freunde bleiben werden. Was nicht heißt, dass sie es immer sind. Manchmal sind sie auch nur zwei halbseidene Typen, die versuchen, eine schummrige alte Bar am Laufen zu halten und sich in den fragilen Momenten der Kassenabrechnung auf den Tod nicht ausstehen können.
Die Härte, die du brauchst, um all das zu tun, um so gut darin zu sein, so erfolgreich, dass sie dich dafür bewundern, diese Härte kannst du nicht lernen. Nicht mal im Krieg. Diese Härte hast du oder du hast sie nicht. Aber wenn du sie hast, dann bist du Gott. Dann bestimmst du. Von Anfang an, auch wenn du klein anfängst. Du bist so hart, dass es weh tut, dich anzukucken. Dir kann keiner widerstehen, dich kann keiner besiegen. Du machst die Regeln. Die anderen folgen dir.
Und eines Tages, du wirst es merken, gehorchen sie dir.
Wenn du willst, dass sie dich lieben, musst du was anderes machen.
VI.
MEIN SCHMUTZIGES KÖNIGREICH
Es ist früh. Sankt Pauli lag noch in tiefem Schlaf, als ich vorhin in Richtung Hafen marschiert bin. Es war still hinter den Fenstern und auf den Straßen, nicht mal die Schulkinder waren schon unterwegs.
Ich hatte mich mit dem Faller für acht Uhr bei Carla verabredet, und jetzt sitzen wir hier, vor uns stehen zwei Milchkaffee und zwei dicke
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