Bullet Catcher 3: Johnny
Geländer der kleinen Terrasse des Beacon Hill Bistro, das im ersten Stock direkt an der Kreuzung von Charles und Chestnut Street lag. Die Morgensonne wärmte die roten Klinkerfassaden und legte einen Goldschimmer auf die ersten Frühlingsknospen an den Bäumen. »Bist du noch dran, Lucy ?«
»Ich bin da. Was hat sie dir erzählt ?«
Mehr als du . »Dass sich ihre Mitbewohnerin umgebracht hat, und zwar vermutlich nach einer gespielten Entführung .«
»Noch was ?«
Er runzelte die Stirn. »Reicht das nicht? Sie hat sich nicht aus Jux und Tollerei entführen lassen .« Als ob Lucy das nicht wüsste. Die Frage war nur, warum sie ihm das nicht verriet. »Sie wollte herausfinden, was ihre Freundin in den Selbstmord getrieben hat .«
»Was auch immer das war, es hat nichts mit Fantasy Adventures zu tun « , sagte Lucy. »Ich habe das Unternehmen durchgecheckt, es ist vollkommen legal. Und die junge Frau ist nie zum Treffpunkt erschienen, also wurde sie gar nicht gekidnappt .«
»Zumindest nicht von denen .«
»Daran habe ich auch schon gedacht, und ich habe auch den Autopsiebericht gelesen .« Natürlich hatte sie den Autopsiebericht gelesen. Warum überraschte ihn das nicht? »Sie war so mit Ephedrin vollgepumpt, dass ihr Herz versagt hat .«
Ephedrin. Wie hatte Sage gestern Abend gesagt? Die Droge der Wahl in Cheerleaderkreisen.
»Diese Entführungen sind im Grunde nur ein spielerischer Nervenkitzel « , fuhr Lucy fort. »Gefolgt von einer Begegnung mit einem Retter, die Sex beinhalten kann oder auch nicht. Was immer Keisha Kingston in den Selbstmord getrieben hat, soll nicht unsere Sorge sein .«
Aber was war dann ihre Sorge? Lucy würde ihm nur sagen, was er unbedingt wissen musste, und wenn er sich nicht so unglaublich von Sage angezogen fühlen würde, wäre es ihm wahrscheinlich auch egal. Das war eben sein Job.
Er rückte seinen zierlichen Stuhl so zurecht, dass er Sages Haus gut sehen konnte. Dass er das Bistro mit dem Balkon entdeckt hatte, war purer Zufall gewesen.
»Ich weiß nicht, Luce « , sagte er. »Etwas an diesem Selbstmord kommt mir seltsam vor. Sage zufolge war die Mitbewohnerin eine ausgeglichene, intelligente, ehrgeizige und wirklich gut aussehende junge Frau. Sie litt weder an Depressionen, noch nahm sie Drogen, noch hatte sie sonst irgendwelche Probleme. Keinen Ärger mit einem psychopathischen Ex. Genau genommen war sie eine Gesundheitsfanatikerin – «
»Gewöhnliche Frauen bezahlen nicht dafür, sich kidnappen und anschließend retten zu lassen. Gesundheitsfreaks schlucken kein Ephedrin. Ganz offensichtlich hatte sie doch Probleme .«
»Ephedra-Präparate gibt es hierzulande in jedem Drogeriemarkt, und das mit den Entführungen haben alle ihre Freundinnen auch gemacht .« Warum verteidigte er eigentlich irgendeine Cheerleader-Maus, die er nie persönlich kennengelernt hatte? Lucy gegenüber? Er stellte Lucys Urteil nie infrage. Niemals. Er nahm die Schärfe aus seiner Stimme. »Jedenfalls meint Sage, dass es da irgendeinen Zusammenhang gibt .«
»Sie sucht jemanden, dem sie die Schuld geben kann .«
»Dafür geht sie aber ganz schön weit .« Er würde Lucy nicht erzählen, wie weit sie gegangen war.
Er hörte, wie sie leise seufzte, ehe sie fragte: »Was hat sie dir noch erzählt ?«
»Von der Vorliebe ihrer Mitbewohnerin für absonderlichen Nervenkitzel abgesehen, nichts .« Dabei hatten sie bis morgens um vier geredet. Er hatte erfahren, dass sie siebenundzwanzig war, dass sie in Washington aufgewachsen war und am Boston College studiert hatte, jetzt freiberuflich als Journalistin für verschiedene Zeitschriften arbeitete und davon träumte, eines Tages einen Krimi zu schreiben.
»Und was hast du ihr erzählt ?« Klang da ein Hauch Nervosität aus Lucys kühler Stimme? Was hatte es mit diesem Auftrag auf sich, dass sie so reagierte?
»Ich habe ihr erklärt, was zu einem perfekten Risotto gehört .«
»Pilze ?«
»Harmonie. Der Koch muss im Einklang mit sich selbst stehen, damit es gut wird .« Johnny lächelte bei der Erinnerung daran, wie Sage darüber gelacht hatte. Ganz im Gegensatz zu Lucy.
»Ihr habt also über das Kochen geredet ?«
Er lehnte sich weit nach links, als ihm ein Müllwagen die Sicht auf das Wohnhaus nahm. »Überwiegend haben wir über ihre Mitbewohnerin geredet. Sie ist ziemlich durcheinander deswegen .«
»Johnny, hast du jemals jemanden gekannt, der Selbstmord begangen hat ?«
Er schnaubte kurz. »In meiner Familie hat man so was gegen Geld
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