Bullet Catcher - St. Claire, R: Bullet Catcher
erschossen von dem Mann, den sie einmal geliebt hatte – oder geglaubt hatte, zu lieben. Dem Mann, der sie hierherbestellt hatte. Warum? Damit sie Zeugin wurde?
Oh nein. Er hatte ihr eine Falle gestellt. Das war so typisch für ihn. Er war zu allem fähig, und er konnte sich alles erlauben. Hatte er das nicht selbst immer gesagt, wenn sie sich zwischen zerknüllten Laken rekelten oder halb bekleidet auf seinem Schreibtisch lagen?
Ich kann mir alles erlauben, Leenie. Mir gehört die ganze verdammte Stadt.
Er konnte sogar einen kaltblütigen Mord begehen … und dann dafür sorgen, dass der Verdacht auf sie fiel.
Mit bebenden Händen strich sie sich das Haar aus dem Gesicht und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte.
Wegrennen – ehe die Polizei kam und sie hier fand. Sie stieß das Tor auf und warf einen letzten Blick auf die Frau. Blut rann ihr aus dem Bauch, und ihre Augen starrten ausdruckslos ins Nichts.
Was hatte diese schöne Blondine getan? Hatte sie auch die verhängnisvollen Worte ausgesprochen? Ich erwarte ein Baby .
Auf wackeligen Beinen stürzte Eileen los, stolperte dabei über einen Pflasterstein und fing sich keuchend ab. Wenn sie nur unbemerkt zu ihrem Auto käme, könnte sie nach Hause fahren. Die Straßen von Charleston waren verlassen. Niemand wusste, dass sie hier war.
Um Ruhe bemüht, zwang sie sich zu einem schnellen, aber nicht allzu hastigen Tempo, nur für den Fall, dass jemand sie beobachtete. Bei ihrem Dodge Dart angekommen, öffnete sie die Fahrertür, stieg ein, fischte die Schlüssel unter dem Sitz hervor, wo sie sie immer versteckte, und ließ den Motor an.
Sie legte den Rückwärtsgang ein und trat dann mit zitterndem Fuß auf das Gaspedal. Der Wagen machte einen Satz zurück und stieß gegen das dahinter geparkte Auto. Eileen entfuhr ein verzweifeltes Stöhnen.
Ich kann mir alles erlauben, Leenie .
Sie musste sofort nach Hause.
Mit jeder Meile wurde ihre Atmung ruhiger, und das Zittern ließ nach. Hatte sie wirklich etwas gesehen? Vielleicht hatte sie sich alles nur eingebildet. Vielleicht war das alles nur ein böser Traum.
Sie erreichte den Ashley River mit der baufälligen alten Brücke, bis zu ihrem Haus waren es nur noch ein paar Meter. Mit einem tiefen Atemzug blickte sie in den Rückspiegel – aus dem ihr Blaulicht entgegenblinkte. Polizei! Wie lange fuhren die schon hinter ihr her? Mit klopfendem Herzen sah sie auf den Tacho und trat auf die Bremse. Fünfunddreißig Meilen pro Stunde. Sie war jedenfalls nicht zu schnell gefahren. Erleichterung und Unbehagen wirbelten in ihrem benebelten Kopf durcheinander, doch sie hatte sich soweit im Griff, dass sie am Straßenrand halten konnte. Noch ehe sie den Türhebel berührte, wurde bereits die Tür aufgerissen.
»Aussteigen!«
Sie erstarrte und hielt sich schützend die Hände vor die Augen, um nicht in das grelle Licht des Scheinwerfers zu blicken, der ihr ins Gesicht gehalten wurde. Beim Aussteigen entdeckte sie einen zweiten Polizisten, der eine Waffe auf sie gerichtet hielt.
»War ich zu schnell?« Sie klang erstaunlich gefasst.
Wortlos schwenkte der erste Polizist seine Taschenlampe auf den Beifahrersitz. Seine Augen verengten sich. Eileen folgte seinem Blick und ahnte bereits, was sie sehen würde.
Die Waffe. Sie hatte die ganze Zeit neben ihr gelegen.
»Eileen Stafford, ich nehme Sie fest wegen des Verdachts auf Mord. Sie haben das Recht zu schweigen … «
Und das würde sie auch tun. Er wusste genau, was er tun musste, damit sie ihr Schweigen nicht brach. Er konnte sich alles erlauben .
Schluchzend brach sie zusammen und ließ sich von den Polizisten wegtragen.
1
Astor Cove, Bundesstaat New York
The Hudson River Valley
Frühling 2008
Adrien Fletcher wollte etwas von ihr, und er wollte es so unbedingt, dass er sogar auf sein geliebtes Rugby-Spiel am Sonntagnachmittag verzichtete, seine Kreole aus dem Ohr genommen, sein Aborigine-Tattoo in Gestalt einer Axt unter einem langärmligen Hemd versteckt hatte und Small Talk mit seiner Chefin machte.
Belustigt, aber neugierig wartete Lucy Sharpe ab.
»Der Kunde mit dem Diamantentransport hat mir gestern Abend eine E-Mail geschickt«, berichtete sie und scrollte durch ihr Blackberry auf der Suche nach der Nachricht des holländischen Juwelenhändlers. »Er meinte, du hättest den Job letztes Mal absolut perfekt erledigt, und will dich jetzt wieder als Leibwache, nächsten Monat, für eine weitere vierzig Millionen Dollar schwere Lieferung« –
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