Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition)
höchst
unerfreulich auf dem harten Eis und rutschten, je nach Ausmaß des Pechs,
weitere Meter teilweise bis zum Fuß des Hanges, wo eine weitere Überraschung
auf sie wartete… Ich weiß noch, wie ich, während ich mich über diejenigen
wunderte, die entgegen der Mehrheit nach Oben unterwegs waren, für den
Bruchteil einer Sekunde spürte, den Kontakt mit dem Untergrund verloren zu
haben. Einen Drittel der Sekunde befand ich mich im freien Fall. Der verloren
gegangene und wiedergekehrte Kontakt schlug gegen meine Füße und riss mich aus
dem Gleichgewicht. Nach einer weiteren Sekunde lag ich bereits auf dem Rücken.
Die Landschaft im Osten war in diesem Moment nicht mehr so interessant, wie das
Panorama im Norden, wo all die einst anmutsvollen Gestalten simultan in den
Chaos stürzten. Was auch passierte, ich wollte diesen Anblick nicht versäumen
und habe also genau gesehen, als ich von dem nächsten Stoss weggeschleudert
wurde, wie viel Schönheit und Eleganz in so einer Katastrophe … oder konkret in
der Hilflosigkeit gegenüber einer Naturgewalt stecken kann… Als die tausende
begliederte Metallklumpen in der Luft waren, schien der Hügel für einige
Sekunden verschwunden zu sein, weil er permanent den lockeren Schnee und die
kleinen Eissplitter von sich stieß, die ihrerseits aufgewirbelt die Oberfläche
verdeckten. Ähnliches passierte mit dem tiefen Schnee, auch der war teilweise
in der Luft, so dass ich für mindesten eine Sekunde den Eindruck hatte, der
ganze Planet wäre zu Staub zerfallen, und dass der Schwebezustand ab jetzt die
einzige Form der Existenz sein wird. Das war überwältigend … aber eigentlich
ist das alles unwichtig, weil die eigentliche Geschichte erst im Moment der
Landung so richtig anfängt. Denn während wir in der Luft waren, löste sich das
Gas-Eis vom Wasser-Eis, und der vergleichbar schwache Fußbereich des Hügels
zerbröckelte in große und kleine Teile mit scharfen Kanten. Viele landeten auf
dem flachen Eis und rutschten bis zum Hügelfuß, taten sich vielleicht ein Bisschen
weh. Ich und alle anderen mit dem Pechquotienten von über hundertsechzig
landeten direkt auf den Eisbrocken und verunglückten ernsthaft. Ich brach mir
ein Ski und zerquetschte den Anzug im Kniebereich. Das, und zwar >erst<
das war eine echte Katastrophe: Ich fing sofort an, mir auszumalen, wie ich die
nächsten sechzig, achtzig Stunden allein oder mit anderen Verunglückten an Ort
und Stelle hocken werde, die kleinsten Bruchstücke meines Skis aufsammelnd,
über die schlechten Ingenieure und meine eigene Dummheit schimpfend, darauf
wartend, dass eine Kugel frei wird, um mich aufzusammeln, zu reparieren und zu
meinen Freunden zu bringen, die höchstwahrscheinlich die schönsten Orte bereits
hinter sich gelassen haben… Meine Schwarzmalerei wurde unvermittelt von einer
weiteren Katastrophe unterbrochen: Kryolava ist von unter dem Gas-Eis
herausgeflossen und überflutete stürmisch den gesamten Strandbereich. Noch
bevor ich meine pessimistischen Gedanken updaten konnte, wurde ich quasi beim
lebendigen Leibe kryokonserviert – ich steckte fest und im Dunkeln…
Wir blieben wieder stehen. Ich steckte irgendwie noch
ziemlich tief in der Geschichte von Violence drin, dass ich mich einen kurzen
Moment lang über den ganzen Sand um uns herum wunderte. Einen Moment später ist
mir eingefallen, dass die Geschichte von längst vergangenen Zeiten handelte,
also fragte ich mich, wohin wohl das ganze Eis verschwunden sein mag …
_.Findest du das nicht auch seltsam, dass alle Spuren in
eine Richtung zeigen? Keine Spur zeigt entgegen gesetzt. Wenn du nicht
wüsstest, was dich vorne erwartet, würdest du dich wundern?
.Ich denke nicht? … Ich wundere mich ja auch nicht über
einen Fluss, der seine Richtung nicht ändert … und von einem Blitz habe ich
auch nicht gehört, dass er mal nach oben schlägt. Wahrscheinlich gibt es ein
Gesetzt, eine physikalische Eigenschaft der Landschaft, wegen der die Spuren …
eben nur in eine Richtung zeigen können.
_.Meinst so etwas, wie den Potentialunterschied?
.Mnja! Auch bekannt als >Spannung<.
_.Das würde bedeuten: wenn der Krater positiv geladen wäre,
müssten die Spurfersen ebenfalls positiv und die Spurspitzen negativ geladen
sein…
.Und wenn ich ein Mal im Kreis laufe … so?
_.Dann hat es anscheinend an dieser Stelle ein temporäres,
lokales Feld gegeben, das stärker war, als das Hauptfeld.
.Oder das Feld in der Fußspur war instabil.
_.Was ist
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