Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition)
hier also tatsächlich passiert? Hmm…
Ich weiß nicht was passiert war, sie sagte plötzlich kein
Wort mehr, bis wir das Ziel erreichten. Sie schien in eine eigene Welt
abgetaucht zu sein – das spürte ich sofort durch zwei Vollkörperanzüge … etwas
an ihrer Körperhaltung hat sich verändert. Ich konnte nicht identifizieren, was
das war, aber einen Zweifel hatte ich nicht: sie hielt mich auf Abstand…
Und in der Zwischenzeit wurde ihre Geschichte über
Barapha-Aisu nicht mehr erzählt, sondern mir direkt ins Gedächtnis projiziert.
Ich erinnerte mich, als hätte ich das selbst erlebt, wie sie und ihre Skiteile
drei Stunden lang aus dem Eis heraus geschmolzen wurden, wie sie dann weitere
fünf Stunden allein im Schnee sitzen blieb, weil sie ohne Skier in dem Geländer
nicht vorwärts kam, ihre Freunde aber vom Wandern nicht abhalten wollte, bis
sie auf die Idee kam, sich durch das Eis durch zu schmelzen, um es auf dem
Boden des Ozeans zu versuchen. Ich erinnerte mich, wie sie die ersten hundert
Stunden im Dunkeln und in der Kälte noch aufrecht ging, bis ihr rechtes Bein
wegen dem Leck am Knie ihres Anzugs komplett zugefroren war, wie sie die
nächsten fünf hundert Stunden auf einem Bein lief, und die letzten zwanzig
Kilometer von ihren Freunden geschleppt wurde, die für sie ins Wasser gegangen
sind und sie herausgeholt hatten. Am Fuße eines Vulkans wurde sie dann
„aufgetaut“, und sie bewunderten zusammen den Sonnenaufgang. Irgendwann, im
Laufe des Tages, kam letztendlich eine Kugel und sammelte sie auf…
Dabei lag der Schwerpunkt der Erinnerungen nicht bei den
Einzelheiten des Geschehens, sondern bei den erlebten Emotionen: Die Geschichte
handelte von Leid, dem man sich freiwillig unterzieht, den Schmerzen, die sich
von den Echten kein Bisschen unterschieden,
dem besonderen Gefühl für Zeit, die in Anbetracht der
Monotonie zu einer Eins tendiert; aber sie handelt auch von dem felsenfesten
Willen, den Weg zu Ende zu gehen, von der Freude jedem geschafften Schritt
gegenüber, von der Aufregung und der Begeisterung über das spezielle Ort und
die persönliche Lage, von Ehrfurcht gegenüber den Mächten der Natur, vom Glück
des „wahren“ Lebens… Nebenbei wurde mir eine Neuzeitmoral vermittelt: „Leid und
Schmerzen sind etwas derart Vertrauliches und Intimes, dass es eine Untat wäre,
über sie zu erzählen, wenn man sie statt dessen direkt schenken kann.“
Mag sein, dass dieses „Geschenk“ keinen Einfluss auf
meinen Geisteszustand genommen hat, doch wenigstens im Keller meines
Bewusstseins keimte eine beachtliche Wertschätzung, die dem Planeten galt, der
mich aktuell von der Schwebe abhielt. Neben der Schätzung wuchs zeitgleich die
allgemeine Begeisterung, während uns nur noch wenige hundert Meter von unserem
Ziel trennten. Vor uns manifestierte sich eines der, wenn nicht sogar das
eindrucksvollste Naturschaubild, das ich je … nun, auf jeden Fall war es
extraordinär, kolossal - eine riesige Backform für einen Osternkuchen: Der
Krater hatte die Form eines fünfzehn Kilometer großen Kaninchens mit riesigen,
am Kopf klebenden Ohren und kleinen Füßen, die allerdings mit jedem unserer
Schritte immer größer wurden. Ich wette, sein Name „Trusis“ steht wiederum für
den „Hasen“ in irgendeiner Sprache.
Wenn man aber von der lustigen Form absieht, spätestens am
Rande des Beckens stehend, mischt sich ein leichter Schauder mit einem
Entzücken beim Anblick der grausigen Tiefen. Die felsenfeste, über dem Abgrund
ragende Kerraskruste wirft einen tiefen Schatten auf den sandigen Hang
darunter, der im vergleich zum kontrastreichen oberen Teil nebelig-fad aussieht
und den Anschein eines ständigen Fließens erweckt. Es scheint, als würden die
Sandströme direkt im Schwarz der Schatten entstehen, die vielen heruntergestürzten
Felsbrocken mit einer nicht erfassbaren Geschwindigkeit hinunter treiben, sie
langsam in sich eingraben oder einschmelzen, um unten angekommen, eine Dünne zu
erzeugen, die aus der Entfernung den Eindruck eines stürmischen Sees erweckt,
der irritierend fehl am Platz scheint.
Mit geschlossenen Augen dann hörte sich der Krater sehr
bedrohlich an. Die Mischung aus sehr hohen und sehr tiefen Tönen und Klängen
überforderte diesmal meine gesamte Erfahrung, nur die warnenden Gefühle, die
sie erweckten, waren mir sehr wohl bekannt - ich musste meine Intuition und
meine Reflexe davon abhalten, die Macht über den
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