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Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition)

Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition)

Titel: Burakkuboru: Die kleine süsse Überraschung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eduard Spiegel
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Kontrolle. Meine alten, abhanden erzogenen
Charaktereigenschaften kamen wieder zum Vorschein, auf die Oberfläche. Als
würden sich die Grenzen in Luft auflösen. Als würde meine Moral Löcher
einheimsen, wie gereifter Käse. … Nein, nicht jetzt. Du bekommst später noch
mal die Gelegenheit dir Standpauken zu halten. Wer, ich? Wer ist da? Redest du
wieder mit dir selbst? Hör auf damit.
     
    Wie soll man sich unter Kontrolle halten, wenn nicht mit
Schizophrenie?
     
      Ich hörte ein Pfeifen. Ich schaute erneut zu der Seite,
welche als Einzige in Frage kam. Mome bezeigte das Raumschiff und machte
irgendwelche Zeichen mit jeweils so vielen Händen, wie notwendig war. Im Großen
und Ganzen meinte sie mit ihrer cholerischen Pantomime das Sterben.
     
      Ich frage mich, wie erreicht man einen gesunden Kompromiss
zwischen der Natürlichkeit und der Moral. Natürlich ist, dass der Mensch
assoziativ denkt. Vergleichen ist natürlich. Menschen mit etwas vergleichen ist
natürlich keine Ausnahme. Ob mit einem Stuhl, ob mit dem Wind, ob mit einer
Flasche oder mit der Sonne, ob mit einem Esel, einem Elefanten oder eben mit
einem Fisch spielt naturgemäß erst einmal keine Rolle. Ohne die Moral, ohne die
Vorstellung von „Gut und Böse“ würde die Interpretation eines Vergleichs
neutral ausfallen. Erst die Kultur sagt vor, was eher positiv, was eher negativ
zu verstehen ist. In einer Kultur, in der alles Sein und Geschehen positiv
begriffen wird, ist jeder Vergleich ein Kompliment. Beim negativen Verstehen
der Dinge wird das Gleichsetzen beleidigend aufgefasst. … Was hält sie also von
Fischen? Hatte sie bereits in ihrer Kindheit ein starkes Selbstwertgefühl?
Liebt sich ein Mensch, wird dieser all das lieben, womit der verglichen wird.
Ich kann sie ja bei Gelegenheit fragen.
     
      Meinte Mome, das Schiff würde auseinander fallen,
verenden, den Geist aufgeben? Ich unternahm einen Versuch möglichst unter mich
zu schauen, auf die Stelle, der ich mich näherte, der wir uns näherten. Das
ging nicht zufrieden stellend aus. Wir waren gerade noch einige hundert Meter
von der Wasseroberfläche entfernt. Maximal zehn. In der Ferne vernahm ich
Landabschnitte. Inseln. Grüne, durcheinander geworfene Inseln.
     
      Das Bild des Raumschiffs verwandelte sich. Die einzelnen …
ja, wie soll ich sie nennen … Fallschirmballons wurden schmäler, ließen Luft
heraus, wurden in den Korpus eingezogen. Zunächst auf einer Seite dicht gefolgt
vom Rest. Das Schiff bekam Schieflage. Ab dem Moment, als die letzten Strähnen
verschwanden, stürzte unser einstiges Transportmittel mit newtonscher
Fallbeschleunigung senkrecht gegen den nassen Äquatorstrich.
     
      Einige Sekunden nachkommend erschrak ich mich arg. Im
Grunde zum ersten mal seit dem Start der Reise. Das unheimliche daran war, ich
begriff nicht direkt, was mir Angst machte, was der Auslöser für diese
Überreaktion war. Mein Unterbewusstsein hat sich im Alleingang entschieden, ich
solle Furcht verspüren, soll meine Wahrnehmung schärfen, die Umwelt bewusst
erkunden. Mein erster Gedanke war eine Art Verwunderung darüber, warum das
Abstürzen des Schiffs mir plötzlich Angst machen sollte. Bis ich unwillkürlich
merkte, wie der Horizont mir über den Kopf stieg, wie der Ozean mich zu verschlingen
versuchte, dass mir der Boden unter den Füssen davonschlich und die
Sicherheitsgurte mehr Druck auf die Brust ausübten. Ich kippte nach vorne.
     
      Die Erkenntnis der bedrohlichen Ungunst wurde begleitet
von einer Schockwelle. Es fand eine heftige Botenstoffkommunikation in meinem
Leib statt. Die Gelenke erstarrten, die Haut verblasste, das Bewusstsein
entgleiste, ließ die Augen tausend Richtungen gleichzeitig erspähen. Die Finger
suchten nach einem Geländer, die Füße nach einer besseren Stütze. Ich rechnete
längst voraus, ob ich Überlebenschancen hätte, sollte ich ins Wasser stürzen.
Spätestens am weißen Gitter aus Gummisträhnen sollte ich mich festhalten
können, sollten die Gurte zu sehr nachlassen.
     
      Mein Unterbewusstsein kam mir erneut voraus: es merkte
eine Beziehung zwischen der Schieflage meiner Rettungskapsel und dem Sturzflug
des Schiffes. Nämlich blickte ich stets geradeaus auf den Fallenden Körper des
Senkrechtstarters. Der mir noch zusätzliche Angst einflösste. Einen
bestätigenden Vergleich bot mir die Kapsel der Praktikantin: sie kippte
ebengleich nach vorne und sich an dem Gitter festhaltend fuchtelte mit den
Füssen zu allen Flanken.

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