Burke 2 - Strega
auf die Tankstelle, fing mir einen Blick vom Aufpasser ein und stieß in die Werkstatt. Der alte Mann trat aus dem Dunkeln, und Pansy knurrte – es klang wie ein Diesellaster beim Runterschalten. Sobald sie Julios Stimme erkannte, legte sie die Ohren den knappen Bruchteil eines Zentimeters an, aber sie war noch bereit zuzubeißen.
»Pansy! Mutter Gottes, Burke – die is ja groß wie ein scheiß Haus! Welch eine Schönheit!«
Pansy schnurrte vor lauter Lob, sie wußte, daß noch bessere Dinge folgten. Und tatsächlich – der alte Mann langte in seine Manteltasche und zog einen Brocken milchig weißen Käse raus und hielt ihn ihr hin.
»Na, Kleines – magste, was Onkel Julio für dich hat, häh?«
Bevor Julio ihr zu nahe kommen konnte, zischte ich »Sprich!«
zu Pansy. Sie ließ den alten Mann ihren massigen Kopf tätscheln, während der Käse rasch verschwand. Julio dachte, »Sprich!« bedeute, sie solle Laut geben – es bedeutete eigentlich, daß es okay war, das Futter zu nehmen, und ich hatte ihr das Wort beigebracht.
Auf Julio wirkte es, als zeige der Hund einen Trick. Der Schlüssel zum Überleben in dieser Welt besteht darin, daß man die Leute denken läßt, man zeige ihnen Tricks. Niemand würde meinen Hund vergiften.
Pansy knurrte wieder, diesmal in Erwartung. »Pansy, spring!«
bellte ich ihr zu, und sie legte sich ohne einen weiteren Ton auf den Rücksitz.
Ich stieg aus dem Auto und zündete mir eine Zigarette an – Julio würde mich nicht nach Brooklyn rausrufen, bloß um Pansy Käse zu geben.
»Burke, letzte Woche kommt ein alter Freund von mir zu mir.
Er sagt, dieser Freak tut was mit seiner Tochter, was sie verrückt macht – hat immerzu Angst. Und er weiß nicht, was er tun soll. Er versucht mit ihr zu reden, und sie will ihm nicht sagen, was nicht stimmt. Und die Tochter – sie ist mit ’nem Bürger verheiratet, weißt du? Netter Kerl, behandelt sie gut und all das. Er verdient gut, aber er is keiner von uns. Wir können ihn da nicht reinziehen.«
Ich sah den alten Mann bloß an. Er war so erschüttert, daß er bebte. Julio hatte, just bevor er ins Gefängnis ging, bei einer Schießerei zwei Revolverhelden getötet, und er hatte jede Menge Rückgrat. Das hier mußte schlimm sein. Ich ließ ihn reden, sagte nichts.
»Also red ich mit ihr – mit Gina. Mir will sie auch nichts verraten, aber ich sitz bloß da, und wir reden über dies und jenes, wie sie beispielsweise noch ein kleines Mädchen war und ich sie hab von meinem Espresso trinken lassen, wenn sie mit ihrem Vater in den Club gekommen ist – so ein Zeug. Und dann bemerk ich, daß sie ihr Kind nicht aus den Augen lassen will. Das kleine Mädchen, die will raus auf den Hof und spielen, und Gina sagt nein. Und draußen is ein schöner Tag, verstehst du? Sie haben einen Zaun ums Haus rum, sie kann das Kind von der Küche aus sehen – aber sie will es nicht aus den Augen lassen. Und da frag ich sie also: Is irgendwas wegen dem Kind?
Und da fangt sie an zu heulen, direkt vor mir und dem Kind auch. Sie zeigt mir diesen braunen Umschlag, der mit der Post für sie gekommen ist. Es sind lauter Zeitungsartikel über Kinder, die von besoffenen Autofahrern umgebracht worden sind, Kinder, die entführt worden sind, vermißte Kinder ... lauter solcher Scheiß.
Na und? frag ich sie. Was hat das mit deinem Kind zu tun? Und sie erzählt mir, daß das Zeug seit Wochen mit der Post kommt, okay? Und dann ruft sie dieses animale an. Er erzählt ihr, daß er etliche von den Kids selbst erledigt hat, verstehst du, was ich sage? – er entführt die Kinder selber und so. Und ihr Kind wird das nächste sein, wenn sie nicht tut, was er will.
Also denkt sie sich, er will Geld, klar? Sie weiß, daß sich das machen läßt. Aber er will kein Geld, Burke. Er will, daß sie für ihn die Kleider auszieht, während sie am Telefon ist, der Freak! Er sagt ihr, sie soll die Kleider ausziehen und am Telefon erzählen, was sie tut.«
Die Augen des alten Mannes waren irgendwo anders. Seine Stimme war ein rauhes Gefängnisflüstern, aber näselnd und schwach.
Es gab nichts, was ich sagen konnte – ich mache keine Sozialarbeit.
»Sie erzählt mir, daß sie dabei mitmacht, aber sie zieht nicht wirklich was aus, okay? – und der Freak plärrt sie an, er wüßte, daß sie’s nicht wirklich tut, und hängt einfach ein. Und da kriegt sie die große Flatter – sie glaubt, der Kerl beobachtet sie wirklich.
Beobachtet sie die ganze Zeit und macht sich bereit,
Weitere Kostenlose Bücher