Burke 2 - Strega
sich ihr Kind vorzunehmen.«
»Warum kommste zu mir?« fragte ich ihn.
»Du kennst diese Leute, Burke. Sogar als wir im Kahn waren, hast du ständig die scheiß Entblößer und Babyficker und all die beobachtet. Erinnerste dich? Erinner dich dran, als ich dich gefragt habe, warum du mit ihnen redest – erinnerste dich, was du gesagt hast?«
Ich erinnerte mich. Ich hatte dem alten Mann erklärt, daß ich eines Tages aus diesem Kahn rauskommen und wieder auf die Straße gehen würde – wenn du im Dschungel rumläufst, mußt du die Tiere kennen.
»Yeah«, erklärte ich dem alten Mann, »ich erinnere mich.«
»Und was, zum Arsch, soll ich tun, ein’ von die Psychiater fragen?
Du kennst dich mit Freaks aus – sag du mir, was ich tun soll.«
»Ich sag den Leuten nicht, was sie tun sollen.«
»Dann sag mir, was da vor sich geht – sag mir, was in seinem Kopf vor sich geht.«
»Er beobachtet sie nicht, Julio«, erklärte ich ihm. »Er hat sich bloß vorgestellt, daß sie nicht mitmacht, das is alles. Er ist ’n Freak, wie du gesagt hast – du weißt nie, warum sie was machen.«
»Aber du weißt, was sie vorhaben.«
»Yeah«, erklärte ich ihm. »Ich weiß, was sie vorhaben.« Und das war die Wahrheit.
Eine Weile rauchten wir beide schweigend. Ich kannte Julio, und ich wußte, daß noch mehr kam. Schließlich drückte er seine dünne, krumme schwarze Zigarre an der verblichenen Flanke des Plymouth aus und stopfte sie in die Tasche. Seine alten, kalten Augen suchten meine.
»Er hat sie wieder angerufen ...«
»Und ...?« fragte ich ihn.
»Er hat ihr gesagt, sie soll in den Park kommen, weißt du, den Forest Park, bei ihrem Haus in Kew Gardens? Und er sagt, sie soll am Freitagmorgen im Park joggen gehen, okay? Und keine Unterwäsche tragen, damit er sehen kann, wie’s bei ihr rumschaukelt. Er sagt, wenn sie das tut, sind sie quitt, und er läßt ihr Kind vom Haken.«
»Nein«, sagte ich.
»Nein was, Scheiße noch mal?« brüllte der alte Mann. »Nein, sie geht nicht in den Park – nein, er läßt das Kind nicht vom Haken ... was denn?«
»Das Kind sitzt nicht am Haken, Julio; der Freak aber. Er ist ’n Degenerierter, okay? Und die hörn nie auf mit dem, was sie tun. Ein paar ziehn die Schraube sogar noch an, verstehst du? Die kommen auf noch mehr freakigen Scheiß. Aber sie hörn nicht auf. Wenn sie in den Park geht, ruft er wieder an. Und das nächste Mal will er mehr.«
»Er wird sie vergewaltigen?«
»Nein, die Sorte tut das nicht. Er ist ’n Spanner. Aber er möchte Frauen ganz genauso verletzen. Er möchte sie nach seiner Pfeife tanzen lassen. Und wenn sie erst tanzen, pfeift er immer schneller.«
Der alte Mann stützte sich am Kotflügel ab. Mit einem Mal wirkte er hinfällig. Aber auch ein alter Alligator kann beißen.
»Sie is ’n gutes Ding, Burke. Ich hab nie ’ne Tochter gehabt, aber wenn ich hätte, wünschte ich, daß sie’s wäre. Sie hat ’n Herz wie Stahl. Aber das Kind von ihr, Mia, die macht sie windelweich. Sie hat keine Angst um sich ...«
»Ich weiß«, erklärte ich ihm.
»Und sie kann’s ihrem Mann nicht sagen. Der hängt dem Kerl ’ne scheiß Anzeige an Hals, oder so was.«
»Yeah«, pflichtete ich bei, da ich die eingefleischte Hochachtung des alten Mannes vor Bürgern teilte.
»Was tun wir also?« fragte mich der alte Mann.
»Wo kommt das ›wir‹ her, Julio?«
»Du machst doch den Ausputzer, richtig? Ich hab jahrelang rumgehört – du machst so ’ne Arbeit, den Privatdetektiv-Scheiß und all das.«
»Und? Das hier ist was anderes.«
»Was is dran so anders? Schnüffel bloß rum und finde für mich den Namen von dem Kerl raus – wo er wohnt und alles.«
»Auf keinen Fall«, beschied ich ihn.
Der alte Mann blickte mir in die Augen, und flinker als eine zupackende Schlange verlegte er sich auf ein neues Spiel.
»Burke, hier geht’s um die Familie.«
»Yeah«, sagte ich, » deine Familie.«
»Im Kahn, da waren wir wie eine Familie«, beschied er mich, die Stimme ganz ruhig.
»Du hast zu viele Bücher gelesen, Alter. Ich war nie in deiner scheiß Familie.«
»He, komm schon, Burke. Bloß weil du kein Italiener bist – macht mir doch nix aus«, sagte er mit der ganzen Lauterkeit eines Immobilienmaklers.
»Ich bin ins Gefängnis gewandert, weil ich nicht mein Leben lang arschkriechen wollte«, sagte ich, »und ’nem alten Mann die Füße zu küssen, törnt mich auch nicht an. Ein Boß ist ein Boß – ich habe nicht viel, aber wenigstens hab ich
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