Burning Wings 02 - Die Mächte
innere Blockade und erlaubte Raphael, in meinen Geist einzudringen. Ich zeigte ihm die erschreckenden Bilder meiner Flucht, und dass es mir mit Nazarys Hilfe gelang, in Ephis‘ tiefen Minen Zuflucht zu finden. Gemeinsam hatten wir dort in Ungewissheit ausgeharrt, bis mich Oriphiels telepathische Nachricht erreichte. Indes ich hierher unterwegs war, hatte Nazary den Befehl, sich an einem sicheren Ort zu verstecken und von dort nach Oxan zu fliehen.
Im Gegenzug dafür, dass Raphael an meinen Gedanken teilhaben durfte, ließ auch er seine unsichtbare innere Barriere fallen. Eine Woge unterschiedlicher Empfindungen überrollte mich. Normalerweise empfing ich immer nur einen Bruchteil der Gefühle anderer, aber bei Raphael trafen sie mich stets mit voller Wucht. Was ich bisher nur mit den Augen wahrgenommen hatte, spürte ich nun mit meinem ganzen Körper.
Nagende Ungewissheit und die Sorge um mich konnte ich am intensivsten fühlen. Gemischt mit Wut und Hass und einer wachsenden Melancholie, die ich bisher von ihm nicht kannte. Aber ich ahnte ihren Ursprung.
»Du wirst nicht von meiner Seite weichen«, stellte ich fest und tastete im Gras nach seiner Hand. Unsere Finger vergruben sich ineinander, und er blickte auf mich herab.
» Nur mein Tod trennt uns voneinande r« , flüsterte er und schloss die Lider.
Ein Kribbeln begann von seinen Fingern auf mich überzugehen und wanderte schließlich über meine Haut. Es war angenehm, und am liebsten hätte ich es ausgekostet. Aber ich konnte es nicht. So sehr es mich auch schmerzte, nur auf eine ganz andere Art wie Raphael, zog ich meine Hand zurück und setzte mich auf. Im gleichen Moment errichtete er mit einem Gedanken seine Schutzbarriere wieder, und ich konnte ihn nicht mehr fühlen. Worauf ich es ihm gleichtat.
Seufzend öffnete er die Augen. Sein Blick verriet mir seine innere Zerrissenheit.
» Es tut mir lei d« , sagte er kaum hörbar und wollte aufstehen.
Ich hielt ihn am Arm fest .» Dir muss gar nichts leid tun .« Doch auf der Stelle bereute ich meine Worte.
Luzifer hatte uns beide von Anfang an gewarnt, dass wir unsere angeborenen Fähigkeiten auf keinen Fall gegenseitig anwenden durften, obwohl wir es trotzdem schon ein paar Mal getan hatten.
Wir beide waren am gleichen Tag geboren. Das war nicht nur ungewöhnlich, denn im Laufe der Zeit hatten noch nie zwei Engel an einem Tag das Licht der Himmelssphäre erblickt, sondern einmalig. Ungewöhnlicher machte es die Tatsache, dass er ein Erzengel und ich ein Seraph war. Gleich zwei Engel in hohen Positionen und mit außerordentlichen Fähigkeiten, die bisher einmalig waren. Die Natur hatte ein unsichtbares Band zwischen Raphael und mir gewebt, welches stärker war als alles andere. Unsere Fähigkeiten ergänzten sich. Raphael konnte Gedanken lesen, ich die Gefühle anderer spüren, als wären es meine eigenen. Wir beide gehörten zusammen, so wie der Tag und die Nacht.
Die größte Gefahr war für uns, dass wir uns gegenseitig aneinander verlieren konnten. Dass wir nicht mehr in der Lage sein würden, zwischen den Gedanken und den Gefühlen des anderen zu unterscheiden. Aus diesem Grund, und auch aus einem weiteren, hatten wir uns auch schon seit längerem nicht mehr so intim verbunden.
Raphael war schon immer der sensiblere von uns beiden gewesen, und daraus hatte er tiefere Gefühle für mich entwickelt. Gefühle, die ich nicht erwidern konnte. Sie waren unser Geheimnis, nur Luzifer und Metatron wussten von ihnen.
» Es war meine Schul d« , flüsterte ich und stand auf.
Ich rannte, als wäre der Teufel persönlich hinter mir her.
Eben noch glaubte ich, die Welt wäre in Ordnung, doch bereits im nächsten Augenblick stand mein bisheriges Leben Kopf.
Ich hatte schon immer gewusst, dass ich jemand Besonderes war. Meine Mutter hatte es mir bereits mit drei Jahren jeden Abend vor dem Schlafen mit einer Geschichte eingeimpft. Sie sagte immer, dass ich als Erwachsener einmal mehr sein würde als nur der Sohn einer Krankenschwester und eines Chiropraktikers.
Stets hatte ich ihr Gerede als Unsinn abgetan, denn wer wünschte sich für das eigene Kind nicht eine schöne Zukunft? Doch ein winziger Funke in mir erkannte die Wahrheit. Ich war Damian, aber ich war mehr als das. Oft dachte ich, genau zu wissen, was andere fühlten, ganz besonders bei Menschen, die mir sehr nahe standen. Und dann gab es da diese Träume. Wirre, Angst einflößende und blutige Visionen von Engeln, Feuersbrünsten und
Weitere Kostenlose Bücher