Burning Wings (Das Erwachen) (German Edition)
vorhandenen Bart und grinste.
Wieder einmal taten mir Naz und Joel leid, denn mit dem, was ich bisher erlebt und gehört hatte, hätten sie sicherlich nie gerechnet, vermutlich wären sie sogar neidisch.
Mein Blick wanderte unverfänglich durch den Raum und blieb bei den Büchern hängen. Mit der Frage, was ein Engel las, schlenderte ich an den Regalen vorbei und war wieder einmal ernüchtert. Fast alle Bücher waren in edles Leder gebunden, aber die Bedeutung der Titel blieb mir verschlossen. Ein Durcheinander aus unverständlichen Wörtern und äußerst eigenartigen Symbolen machten es mir unmöglich zu verstehen, was Eljakim las. Selbst als ich mehrere Bücher vorsichtig in die Hand nahm und darin herumblätterte, verstand ich nicht, was darin geschrieben stand. Das einzig Interessante waren die filigran gearbeiteten goldenen Lettern auf den Einbänden. Sicherlich war jedes Buch in dieser Bibliothek besonders kostbar, höchstwahrscheinlich unbezahlbar und unersetzlich.
Frustriert wandte ich mich ab und tigerte in Richtung Tür. Neugierig legte ich ein Ohr an und lauschte. Draußen war alles ruhig. Das konnte nur bedeuten, dass der Gang verlassen war. Einen kurzen Moment haderte ich mit meinem Gewissen, aber mein Wissensdurst errang schnell den Sieg. Eljakim war seit mindestens zwanzig Minuten verschwunden, und mir war langweilig. Ich überlegte nicht lange und drückte die Klinke nach unten. Und tatsächlich, die Tür war unverschlossen und öffnete sich. Wachsam steckte ich den Kopf hinaus und schaute mich zu beiden Seiten um. Weit und breit war niemand zu sehen.
Eine bessere Gelegenheit bekomme ich vielleicht so schnell nicht wieder.
Leise schlich ich mich in den Flur. Die Tür lehnte ich nur an. So stellte ich sicher, zurück in Eljakims Räume zu finden.
Wenn du mich so lange warten lässt, darfst du später auch nicht sauer sein.
Dennoch verspürte ich erste Gewissensbisse, weil ich an seine Worte dachte. ‚ Du wartest auf mich, ich bin gleich zurück’ , hatte er gesagt. Aber er hatte versäumt zu erwähnen, wo ich warten sollte. Nur das Eingangsportal und die prächtige Treppe waren für mich tabu. Von einem Rundgang in der vierten Etage hatte er nichts gesagt, geschweige denn ihn mir verboten.
Mein Entschluss stand fest. Langsam lief ich in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Der Weg führte mich an den Fenstern vorbei, durch die das warme Sonnenlicht hereinschien und meine Laune ein wenig hob. Sie ermöglichten einen fantastischen Blick in den Vorhof und auf den Schlossgarten. Wäre da nicht die zwei Meter dicke, schwarze Mauer, die im Hintergrund wie ein Mahnmal aufblitzte, hätte ich mich wie ein Prinz in einem Märchenschloss gefühlt. Aus diesem Grund vermied ich die Fenster und sah stur geradeaus. Ich versuchte den Gedanken an die bewaffneten Wachsoldaten zu verdrängen, welche die schöne Palastidylle trübten und das Gelände eher in eine Festung verwandelten. Niemand kam unbefugt herein. Aber auch keiner konnte ungesehen verschwinden.
In Gedanken versunken erreichte ich die erste Biegung und konnte gerade noch rechtzeitig einen Schritt nach hinten machen, als ich plötzlich aus dem Gang Stimmen vernahm. Sie kamen schnell näher. Mit einem hastigen Blick über die Schulter vergewisserte ich mich, dass ich an drei geschlossenen Türen vorbei gekommen war. Das hieß für mich, ungefähr dreißig Meter trennten mich von Eljakims Bibliothek. Ich machte auf dem Absatz kehrt und wollte loseilen, doch ich konnte nicht. Auch die Besitzer der Stimmen hatten Halt gemacht. Nur wenige Meter um die Ecke entfernt hörte ich ganz deutlich Eljakim sprechen.
»Uriel, bitte. Nur noch dieses eine Mal. Ich verspreche es dir.«
Ich hätte es nicht für möglich gehalten, aber Eljakim klang verzweifelt. Irgendwie stimmte es mich traurig, obwohl ich den Grund nicht verstand. Traurigkeit passte einfach nicht zu ihm. Eigentlich hätte ich sofort zurück in die Bibliothek gehen sollen, denn ich wollte keinen Ärger mit meinem Wächter. Mit diesem Gedanken verschwand auch meine Abenteuerlust spurlos. Aber ich konnte es nicht. Die folgenden Worte der Person, die Eljakim Uriel nannte, klangen ebenso verzweifelt.
» Das kannst du nicht von mir verlangen . «
» Ich dachte, wir sind Freunde? Wir waren zusammen im Krieg … «
» Und haben nicht auf der gleichen Seite gekämpft, falls ich daran erinnern soll . «
»Du willst mir einen Vorwurf machen?« Eljakims Stimme wurde mit einem Mal lauter. Er war enttäuscht, und
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