Burnout vorbeugen und heilen
dass ich ein schlechtes Gewissen bekomme.
Und was meinen Sie, wie Sie Ihr schlechtes Gewissen losgeworden sind? Wie haben Sie das gemacht?
Durch harte Arbeit: In der Anfangszeit sitzt man natürlich da und das Gegenüber erzählt und erzählt, und ich musste mir wirklich innerlich sagen: „Halt die Klappe!“ Ich habe wirklich aufgehört zuzuhören. Ich musste mich wirklich zwingen, an etwas anderes zu denken, damit ich ja nicht auf die Idee komme zu sagen: „Ich bin Samstag früh um sieben oder um acht da.“ Das war ganz schön hart, das hat lange gedauert. Es ist mir grundsätzlich immer leichter gefallen, wenn meine Frau neben mir gesessen hat, weil die in solchen Fällen mit aufgepasst hat und mich dann erinnert hat. Sie hat immer gesagt: „Nicht rechtes, linkes Ohr! Durchzug!“
Oder vielleicht mit einem anderen Ohr hören. Sie hören ja jetzt anders hin und Sie hören ja jetzt auch auf sich: Was passt für Sie, was stimmt für Sie?
Ja, das ist das, was am anderen Ende dabei rausgekommen ist. Zum Beispiel wollte mein Bruder im Garten ein paar alte Pflanzen rausreißen. Da war mir klar, das schafft er nicht alleine, weil die zu groß und zu fest sind. Da hatte ich kein Problem zu sagen: „Ich helfe dir.“ Und das Schöne ist: Wenn es um meinen Bruder geht, egal was der macht, ob wir nun Terrassensteine verlegen oder tapezieren oder sonst irgendetwas, habe ich das nie als: „Ich muss helfen!“ empfunden. Da konnte ich mich einfach fallen lassen. Mein Bruder ist bei uns im Haus der Handwerker, kann alles, fliest und haste nicht gesehen. Mit dem zusammen habe ich auch unser Elternhaus ausgebaut. Da mach ich nur die Hilfsarbeiten, hier mal auflegen, da mal Steine holen, den Müll wegbringen ...
Für mich ist es immer eine spannende Geschichte zu erfahren, wie jemand ein schlechtes Gewissen auflöst. Das war meine Frage. Was steht dann an der Stelle des schlechten Gewissens? Was ist anstatt eines schlechten Gewissens da, wenn Sie jetzt etwas tun? Ein gutes Gefühl?
Ja. Wenn hier so das schlechte Gewissen ist und hier so das gute Gefühl, da ist am Anfang ein ziemlich großer Abstand da, der dann mit der Zeit immer kürzer wird, und irgendwann ist man im guten Gefühl angekommen.
Das Interessante ist, was macht man, wenn man dann ein gutes Gefühl hat? Meine Idee ist: Man nimmt dann sehr genau wahr: Was ist los da, was will der andere? Was will ich, was passt jetzt in die Situation, was passt für mich? Und man entscheidet sich dann und sagt: „O.k., so mach ich das, so passt es für mich.“
Der Gedankenablauf, der ist erst heute da. Am Anfang war ich ausschließlich damit beschäftigt, meinen Mund zu halten. Das war harte Arbeit, dazusitzen. Und auch für meine Freunde und Bekannten – die kennen mich natürlich, die wissen wie ich ticke, wie ich reagiere – war es mit Sicherheit eine komplett neue Erfahrung, dass ich da einfach sitze, äußerlich völlig entspannt, aber innerlich wirklich darauf bedacht, schön den Mund zu halten, nichts zu sagen, keine Entschuldigung! Das kam ja früher auch immer dazu, wenn ich mal wirklich keine Zeit hatte, dann habe ich immer versucht, eine Entschuldigung zu finden, um mich zu rechtfertigen. Das mache ich heute nicht mehr. Das ist genauso, wie wenn ich gefragt werde: „Kannst du mir dann und dann helfen?“ Früher war es so, wenn ich keine Lust hatte oder irgendwas anderes vorhatte, dann habe ich mir eine blöde Ausrede ausgesucht, und nur, wenn ich so kurzfristig keine Ausrede hatte, dann habe ich gesagt: „O.k., ich bin hier.“ Auch das habe ich schleichend abgeschafft. Heute entschuldige ich mich nicht, ich such nicht nach einer Ausrede, wenn ich einfach keine Lust habe. Wenn das Samstagnachmittag ist und ich will nun ausgerechnet diesen Samstagnachmittag Fußball gucken, dann such ich nicht nach irgendeiner Ausrede, sondern sage: „Sorry, da habe ich keine Lust zu, an dem Tag will ich das Fußballspiel angucken im Fernsehen.“ Oder ich sage einfach nur: „Tut mir leid für dich, aber ich habe keine Zeit!“ und erkläre das eben Gedachte. Das war so in der mittleren Phase. Ich habe geglaubt, dass ich mit anführen musste, warum nicht. Heute sage ich: „Tut mir leid, ich habe keine Zeit!“ Ich suche auch nicht mehr nach irgendwelchen Ausreden. Weil ich mir auch ganz klar sage, ist mir egal, ob er das akzeptiert oder nicht, entscheidend ist, ich kann das machen, was ich will, und dabei geht es mir gut.
Ich habe Sie, während Sie gesprochen haben,
Weitere Kostenlose Bücher