Burnout vorbeugen und heilen
er aber noch nicht so direkt gesagt, warum. Damals habe ich noch gedacht, „Wofür ein Psychologe?!“ Eigentlich habe ich keinen Draht zu Psychologen gehabt. Ich weiß noch, in unser allerersten Schnupperstunde war das so ein Gucken: Kommen wir tatsächlich von beiden Seiten her miteinander klar? Und ich bin abends nach Hause gefahren und habe mich mit meiner Frau darüber unterhalten, wie und worüber wir uns unterhalten haben. Und während ich das erzählt habe, habe ich zu meiner Frau gesagt: „Ich bin mir sicher, da bin ich gut aufgehoben, dieser Mensch kann mir helfen.“ Ich weiß nicht, warum; ja ich bin ein reiner Gefühlsmensch. Da habe ich gedacht, Dr. E. hat recht, irgendetwas stimmt mit mir nicht. Das hatte ich bis dahin schon gemerkt. Man recherchiert ja viel. Und ich hatte dann auch festgestellt: O. k., mit deiner überheblichen Art, die du jahrelang vor dir hergeschoben hast, „Passiert dir nicht!“ und „Schaffst du alleine!“ – das funktioniert nicht, sonst wäre ich nicht so tief da reingerutscht. Auch meine Frau hat gesagt: „Es ist besser, wenn du jetzt wirklich diesen professionellen Weg gehst und die Hilfe annimmst.“ Und kurz nachdem ich hier wieder raus bin nach dieser ersten Stunde, war für mich klar: „Das zieh ich jetzt durch! Ich will da wieder raus.“
Das heißt, Hilfe in Anspruch zu nehmen war ein ganz wesentlicher Schritt für Sie?
Ja, das hat mich enorme Überwindung gekostet, das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich hatte ja schon früher ein Burnout-Seminar mitgemacht und da waren zwei, drei Kollegen, die schon einen Burnout hinter sich hatten, schon therapiert waren. Aber es war bei allen schon ein bis zwei Jahre her, dass die ihre Therapie abgeschlossen hatten. Alle drei haben nacheinander davon erzählt und haben währenddessen geheult. Damals konnte ich damit überhaupt nichts anfangen, konnte das nicht einordnen. Ich war früher der Meinung, jeder, der eine Auszeit von der Arbeit haben möchte, behauptet, er ist geistig erschöpft, hat Burnout. Es war damals so eine Art Modebegriff und ist ja heute noch mit einem negativen Touch behaftet. Allerdings, nach den ersten Stunden hier war mir klar: „Allein kommst du da nicht raus. Du brauchst jemand, der dir ein bisschen das Licht am Ende des Tunnels zeigt, damit du weißt, o. k., du musst in die Richtung gehen und du musst aufpassen, dass du nicht links und rechts in einen falschen Gang abbiegst.“
Als sie von ihrem Burnout erzählt haben und in ihnen so die Gefühle ausgebrochen sind und sie plötzlich weinen mussten, da habe ich sie dann hinterher gefragt: „Bist du denn heute noch in Behandlung?“ „Hast du jemanden?“ Nein, sie waren alle drei, wie sie sagten, mit ihrer Behandlung durch. Und dann muss ich aus heutiger Sicht sagen, irgendwas stimmt da nicht, irgendwas ist da schiefgelaufen. Ich bin jetzt etwas über ein Jahr hier und mir geht es richtig gut.
Schön! Vielen Dank für das Gespräch.
4. Grundprinzipien der Lebensgestaltung – Modelle für die Vorbeugung und Behandlung des Burnout-Syndroms
4.1 Leben als selbstschöpferischer Vorgang und das Überlebensprinzip
Ich möchte nun ein Grundprinzip menschlichen Handelns darstellen, das Ihnen hilft nachzuvollziehen, wie Menschen für sie unangenehme Probleme entwickeln und wie sie diese wieder auflösen können. Es ist sehr aufschlussreich zu beobachten, wie wir vom Kindes- bis zum Erwachsenenalter lernen, uns anzupassen: an die Umgebung, aber auch an uns selbst. Beispielhaft möchte ich dies an der Wahrnehmung und Befriedigung der Grundbedürfnisse darstellen.
Ein Säugling gibt Laute von sich, bewegt sich und zeigt Mimik und Gestik, wenn er Bedürfnisse hat. Es ist dann an den versorgenden Personen, herauszufinden, was ihm fehlt. Hat er Hunger, hat er Durst, hat er die Windeln voll, möchte er Zuwendung? Deuten wir die Situation richtig, fühlt sich der Säugling nach dem Stillen des Bedürfnisses, was auch Arbeit für den Säugling bedeutet, wieder wohl und er entspannt sich ( siehe Abb. 4-1 ). Deuten wir die Situation falsch, wird er weiter schreien und wir suchen weiter, bis wir die Lösung gefunden haben.
Abbildung 4-1 : Regelkreis der Grundbedürfnisbefriedigung beim Säugling (© Schneider 2013)
Nun kommt es aber auch häufig vor, dass Eltern und andere versorgenden Personen regelmäßig ein Bedürfnis falsch deuten und dem Säugling – oder später dem Kind – eine andere Lösung anbieten, ihn z. B. mit Essen versorgen, statt ihm
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