Burnout vorbeugen und heilen
Zuwendung zu geben. Wird dies systematisch so gemacht, lernt das Kind, damit zufrieden zu sein, da es keine Wahl hat, denn es ist den versorgenden Personen mehr oder weniger ausgeliefert. Es ist also mit der Ersatzbefriedigung „zufrieden“, was allerdings nie zu der Entspannung führt, als wäre das ursprüngliche Bedürfnis gestillt worden. Mit der Zeit lernt das Kind das ursprüngliche Bedürfnis zu verdrängen und spürt an dessen Stelle das gelernte Ersatzbedürfnis ( siehe Abb. 4-2 ).
Abbildung 4-2: Regelkreis für ein nicht befriedigtes Bedürfnis und die Entwicklung eines Ersatzbedürfnisses (© Schneider 2013)
Im Laufe der Entwicklung und des Erwachsenwerdens spielen die versorgenden Personen eine immer weniger bedeutende Rolle. Mit zunehmendem Alter übernimmt es das Kind selbst, mehr und mehr die eigenen Bedürfnisse zu spüren, sie zu deuten und auch zu befriedigen. Als erwachsener Mensch übernimmt es schließlich die volle Verantwortung für seine Bedürfnisse ( Abb. 4-3 ).
Abbildung 4-3: Bedürfnisbefriedigung Erwachsener (© Schneider 2013)
Abhängig von ihrer Lebens- und damit Lerngeschichte haben Menschen bei einem oder mehreren Bedürfnissen gelernt, diese durch Ersatzbedürfnisse zu befriedigen. In Situationen von Disstress handeln sie dann nach den alten unbefriedigenden (Lösungs-)Mustern und fühlen sich dabei „nicht wirklich gut“, „unbehaglich“, „unwohl“, „mies“ oder „schlecht“. Sie haben z. B. das Bedürfnis, allein zu sein, und stürzen sich stattdessen in Arbeit oder stellen Kontakt mit jemandem her, fühlen sich dabei aber unwohl, „grummelig“, „knatschig“ oder „gefrustet“. Es „regt sie die Fliege an der Wand auf“ oder wir hören von ihnen: „Ich bin gereizt“, „Ich bin genervt“ oder „Ich bin dünnhäutig“. Dies sind deutliche Hinweise auf eine fehlende Befriedigung von Grundbedürfnissen. Aus ihrer Umgebung erhalten sie oft die Rückmeldung, sie wirkten „unzufrieden“ oder „launisch“.
Wenn es darum geht, Grundbedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen, gibt es mehrere Steigerungs- oder Eskalationsstufen:
Stufe 0:
Wahrnehmen des Bedürfnisses aufgrund der natürlichen Körperempfindungen
Optimal ist: Wir merken möglichst zeitnah, was wir brauchen, und stillen das anliegende Grundbedürfnis, bevor es sich durch sehr unbehagliche Körperempfindungen äußert. Wir spüren z. B., dass die Lippen trocken sind, und greifen zum Wasserglas.
Eskalationsstufe 1: Unbehagen
Wir spüren das Bedürfnis erst, wenn wir ein größeres bzw. ein großes Unbehagen empfinden oder wenn andere uns auf unser Unbehagen hinweisen.
Eskalationsstufe 2: massives Unbehagen
Wir spüren das Bedürfnis erst, wenn wir ein massives Unbehagen spüren. Oder andere, die sich durch unser Verhalten unbehaglich, missachtet oder gar abgewertet fühlen, müssen uns darauf hinweisen, dass bei uns offensichtlich etwas nicht in Ordnung ist.
Eskalationsstufe 3: Zusammenbruch, Verzweiflung, Krankheit
Im Extremfall müssen wir krank werden, körperlich oder seelisch zusammenbrechen, um zu spüren, dass wesentliche Bedürfnisse nicht befriedigt worden sind. „Was fehlt Ihnen?“, fragen sinnvollerweise Ärzte ihre Patienten.
4.2 Um die Grundbedürfnisse wissen und Vorsorge treffen
Langfristig und anhaltend fühlen wir uns wohl und wir sind gesund, wenn wir unsere Grundbedürfnisse so gut kennen, dass wir für ihre Befriedigung Vorsorge treffen, unseren Alltag so einrichten, dass wir sie stillen können. Wenn Sie eine längere Fahrt in den Urlaub vor sich haben, überlegen Sie auch, bevor Sie fahren, was Sie unterwegs brauchen und wie Sie es sich beschaffen können, damit Sie es bei Bedarf zur Hand haben. Wenn wir genauso im Alltag Vorsorge für unsere Grundbedürfnisse treffen und sie stillen, haben wir Kopf, Herz und Bauch frei, um auch in Stresssituationen umsichtig zu handeln.
Was ich hier grundlegend für die Grundbedürfnisse beschrieben habe, gilt auch für Gefühle, Denken und Verhalten. Menschen (und andere Lebewesen) haben die Fähigkeit, sich an Situationen anzupassen, um zu überleben. In schwierigen Situationen entwickeln sie oft Anpassungen, die nicht unbedingt dem ursprünglichen und natürlichen Bedürfnis, Gefühl, Denken oder Verhaltensimpuls entsprechen, die sich aber als kreative Überlebensstrategien erweisen. Wie bereits beschrieben, können solche Anpassungen in sehr jungen Jahren zu fest etablierten, automatisierten Ersatzverhaltensweisen
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