Burnout vorbeugen und heilen
Wir sind aufeinander bezogene Wesen und brauchen die Liebe und die Zuwendung anderer, um uns zu entwickeln und zu entfalten. Wir sehnen uns danach, von anderen verstanden zu werden, mit anderen etwas zu tun, Zeit zu verbringen, zu lachen und zu weinen, Gefühle und Gedanken auszutauschen. Für Erwachsene ist die Beziehung zu einem anderen Menschen in Form einer Liebesbeziehung und einer Partnerschaft [6] von zentraler Bedeutung für das eigene Wohlbefinden.
Eine Liebesbeziehung ist die Form der Beziehung, in der wir uns deutlich für den anderen interessieren, ihn mögen, von ihm enttäuscht sind, uns ärgern, mit ihm reden, schmusen, Sexualität erleben. Von Partnerschaft sprechen wir, wenn wir mit einem oder einer anderen gemeinsame Projekte ins Leben rufen, zum Beispiel eine Wohnung mieten, ein Haus bauen, Kinder bekommen, eine Reise machen usw. Ich unterscheide diese beiden Beziehungsformen, weil sie einer unterschiedlichen Handlungslogik folgen. Wenn Paare beide Handlungslogiken bewusst oder auch unbewusst unterscheiden und sie entsprechend leben, fühlen sie sich als Paar lebendig und erfüllt; wenn sie die Logiken verwechseln, wird es ungemütlich.
Auf Dauer ist eine Liebesbeziehung geprägt durch die Handlungslogik der bedingungslosen Hingabe. Bildlich gesprochen ist sie ein Geschenk. Ein Geschenk wird ohne Bedingungen gegeben und kann ohne Bedingungen angenommen oder abgelehnt werden. Liebe erblüht nur dann, wenn sie bedingungslos gegeben, gewünscht oder erbeten wird. Wird sie verlangt, gefordert oder aufgerechnet, kann sie nicht leben. „Die Liebe ist das Kind der Freiheit“, heißt es sehr passend in einem alten französischen Sprichwort, das auch ein Buchtitel des Paartherapeuten Michael Lukas Moeller (1986) ist.
In der Liebesbeziehung erfahren wir Zuneigung, tauschen in tiefen Gesprächen unsere innersten Gefühle und Gedanken aus, unsere Träume. Es macht uns glücklich, wenn wir das Interesse einer anderen Person spüren, Interesse an unserem „Einfach-so-Sein“. Die Liebe gibt uns die Möglichkeit, uns aus unserer Geschichte heraus zu entwickeln, uns voll zu entfalten, unsere Möglichkeiten und Potenziale zu leben.
Die Partnerschaft hingegen folgt der Logik der Gerechtigkeit, der eines Tauschhandels, eines Tauschgeschäftes, eines Kontos. Beide an dem Projekt Beteiligten bringen ihren Teil ein, auch wenn er in unterschiedlicher Währung wie Arbeit, Geld usw. eingezahlt werden kann. Langfristig funktioniert eine Partnerschaft dann, wenn ein Ausgleich von Geben und Nehmen besteht, wenn jeder auf das Konto seinen Betrag eingezahlt hat. Hat einer von beiden dies versäumt, kann er es nachholen, und damit ist das Konto wieder ausgeglichen.
In der Liebesbeziehung funktioniert dies nicht. Hat einer den anderen verletzt, so kann er dies durch Taten nicht wiedergutmachen. Die Liebesbeziehung kann nur dann stabilisiert werden, wenn der oder die Verletzte verzeiht und der andere sich künftig anders verhält. Wird die Logik der Partnerschaft auf die Liebesbeziehung angewandt, stirbt die Liebesbeziehung; wird die Logik der Liebesbeziehung auf die Partnerschaft angewandt, kann keine tragfähige Partnerschaft entstehen. Beide, Liebesbeziehung und Partnerschaft, sind für eine langfristige Paarbeziehung wichtig. Beide sind geprägt vom wechselseitigen Austausch, folgen aber verschiedenen Handlungslogiken
In Mangelsituationen verwechseln Menschen die oben beschriebenen Logiken häufig. Sie wenden in der Liebesbeziehung die Handlungslogik der Partnerschaft an: Sie verlangen Liebe, fordern sie und rechnen sie auf. Und in der Partnerschaft die Logik der Liebesbeziehung. Dies zeigen sie in Überzeugungen wie: „Wenn du mich liebst, musst du mich versorgen. Wenn du mich liebst, musst du mir, was die Geschäfte, das Finanzielle angeht, blind vertrauen.“
Ein Beispiel [7] :
Ein Ehepaar fährt zur Geburtstagsfeier des Vaters der Frau. Als das Paar nach der Feier ins Bett geht, sagt der Mann: „Ich fahre nie mehr auf eine Feier deines Vaters. Das war grässlicher denn je. Dein Vater sieht nur immer sich, alles dreht sich nur um ihn und andere werden abgewertet und sind Luft für ihn.“ Die Frau entgegnet: „Das kannst du doch nicht machen. Ich fahre schließlich auch mit dir zu den Geburtstagen deiner Eltern.“ Der Mann: „Doch, ich kann es machen, ich lasse mich doch von dir nicht bestimmen, ich bin schließlich 50 Jahre alt und ein selbstständiger Mann.“ In diesem Stil streiten sie sich weiter und
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