Buschfeuer: Australien-Thriller (German Edition)
Überwachungsvideo. Was nur heißen kann, dass mein Zeuge sich darüber irrt, wen er gesehen hat. «
Im Geiste trug sie das in die Nicht-schuldig-Spalte ein.
» Sich irrt? Oder lügt? «
Joe zuckte die Achseln. » Wieso sollte da jemand lügen? «
» Ach, mir würden schon ein paar Gründe einfallen. « Sie zählte sie an den Fingern ab: » Um Gillespie hinzuhängen. Um euch für eine Weile aus dem Weg zu schaffen. Um den wahren Mörder zu schützen. Vielleicht sogar, damit ihr ihn für unschuldig haltet, weil es eine so offensichtliche Lüge ist. «
» Was du aber nicht glaubst? «
» He, ich liste hier nur mögliche Gründe auf. Und ich kann mir durchaus vorstellen, dass es logistisch möglich ist, dass jemand einem Dritten anschafft, die Drecksarbeit zu machen und dann siebenhundert Kilometer zu fahren, um die Leiche in seinem Kofferraum abzuladen, damit er sie hier draußen entsorgen kann. «
» Und es wäre natürlich ein geschickter Schachzug, sich dafür von der Ortspolizistin ein Alibi geben zu lassen. « Seine Augen verengten sich, während er nachdachte.
Diesmal verkniff sie sich die Erwiderung nicht. » Aber sicher doch, und er hat natürlich vorher gewusst, dass ich so müde bin, dass ich mit einem Känguru Fangen spiele und die Karre in den Graben setze und dann am Straßenrand stehe und nur drauf warte, dass ich seinen Kofferraum inspizieren und ihm ein hübsches, kleines Alibi ausstellen kann. «
Unter ihrem sarkastischen Rundumschlag verzog Joe das Gesicht. Da die Botschaft angekommen war, verlegte sie sich wieder auf einen sachlicheren Ton. » Selbst wenn es logistisch möglich ist, logisch ergibt es einfach keinen Sinn. Im Umkreis von einer Fahrstunde um Sydney existieren tausend Orte, wo man eine Leiche abladen kann, ohne dass irgendwer sie je findet. Wieso sollte jemand nur deswegen den weiten Weg hierher auf sich nehmen? Außerdem braucht man zwei Autos, und man nimmt das Risiko auf sich, in der Nacht mitten im Ort die Leiche umzuladen. «
Die Einwände, die sie vorbrachte, waren so einleuchtend, dass ihr ein Stein vom Herzen fiel und ihr vor Erleichterung fast schwindlig wurde.
Joe massierte sich das Genick und unterdrückte ein Gähnen. » Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass er es war, aber du hast recht, sehr wahrscheinlich scheint es im Augenblick nicht zu sein. Aber er weiß definitiv mehr, als er rauslässt. Er ist ein eiskalter Hund, der sich nicht in die Karten schauen lässt. «
Ein eiskalter Hund? Sie hatte ihn als Einzelgänger mit einer dicken Isolationsschicht eingeschätzt, nicht als kalt– aber es gab eine ganze Menge, was sie über Gillespie nicht wusste.
» Du hattest früher schon mit ihm zu tun? «
» Ja, mehrfach. Hauptsächlich allgemeine Erkundigungen. Letztes Jahr überbrachte ich ihm die Nachricht vom Tod seines Vaters und alles, was er darauf zu sagen hatte, war, er hoffe, dass er in der Hölle schmort. «
» Wenn ihn das zum Verdächtigen macht, dann musst du mindestens halb Dungirri einbuchten, mich eingeschlossen. Des Gillespie hat es verdient, in der Hölle zu schmoren. «
» Wie der Vater so der Sohn. «
Sie war sich nicht sicher, ob Joe das als Frage, als Feststellung oder als Kampfansage meinte. Sie dachte an den stets fluchenden Des, der nur allzu bereit gewesen war, sofort auf jeden einzuprügeln, der ihm gegen den Strich ging, oder einen streunenden Hund abzuknallen, sobald der eine Pfote auf seinen Grund setzte; dann erinnerte sie sich an Gil gestern Abend, der ihr den Wagen angeboten hatte, sich gegen die Barretts nur geschützt und sich geweigert hatte, Anzeige zu erstatten, der ihr Abendessen gemacht hatte.
Soviel sie über Gillespie nicht wusste, jede dieser Taten sprach Bände.
» Nein « , beschied sie Joe. » Sie haben nichts miteinander gemein. «
Sie ließen ihn eine Weile in Ruhe. Gil saß auf dem starren Stuhl in dem kahlen Zimmer. Im Geiste ließ er den Tag Revue passieren und suchte in den Fragen und Kommentaren der Fahnder nach einem Hinweis, der ihm erlaubt hätte zu verstehen, was hier vor sich ging.
Er hatte die Fragen beantwortet, so knapp er konnte. Wo er gewesen war, was er getan hatte, wann er Marci zuletzt gesehen hatte. Sie wollten ihn in Widersprüche verwickeln, aber er blieb bei den Fakten und wiederholte seine Aussage kühl, sooft sie ihn auch fragten.
Er wusste nicht genug über Petric und Macklin, um auch nur auf den Gedanken zu kommen, ihnen zu vertrauen. Nach Marcis Drohungen war Vorsicht eindeutig
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