Bushido
verstehste!«, lachte Ari und ließ den Fotografen laufen.
Plötzlich gab es wieder Unruhe. Die Kripo war gekommen – bei einer Massenschlägerei auch kein Wunder.
»Okay«, sagte ich zu Arafat. »Mir wird die ganze Situation hier zu brenzlig. Die Bullen dürfen mich nicht sehen.«
Boxer und ich tauschten schnell unsere Pullover, seiner hatte nämlich eine Kapuze, und ich verabschiedete mich. Die Bullen versammelten sich gerade, als ich mich, die Kapuze tief über meinen Kopf gezogen, gerade noch so an dem Einsatzkommando vorbeischleichen konnte. Puh! Das war knapp. Hätten sie mich erwischt, dann wären die 100000 Euro Kaution sicher futsch gewesen.
Während meiner ganzen Bewährungszeit war ich insgesamt nur vier Mal in Linz. Ich hielt es dort nie länger als ein paar Tage aus. Immer wieder fuhr ich zurück nach Berlin. Ich stellte einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf: Von Linz nach Berlin in etwas mehr als vier Stunden. Und das bei einer Strecke von 714 Kilometer! Nicht schlecht, oder? Ich wurde ja auch noch geblitzt und bekam eine Anzeige wegen Fahrens ohne Führerschein. Na ja!
Tag der Entscheidung
Dann kam der 4. November 2005. Mein Gerichtstermin in Linz und der Tag, an dem mein Album Staatsfeind Nr. 1 veröffentlicht wurde. Natür-
lich dachten alle, ich hätte das inszeniert. War aber nicht so. Aber wenn, hätte ich meinem PR-Berater, wenn ich einen gehabt hätte, eine saftige Gehaltserhöhung gegeben. Als ich den Gerichtssaal be-trat, hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben richtiges Herzrasen. Dort saßen sie schon, diese ... , zusammen mit ihren Eltern. Ich würdigte sie keines Blickes. Auf der anderen Seite sah ich D-Bo, Heiner und Nyze. Sie nickten mir zu. Um 9 Uhr ging es pünktlich los.
Die Anklage wurde von vorsätzlicher, schwerer Körperverletzung auf einfache Körperverletzung heruntergestuft. Trotzdem, für einfache Körperverletzung hätte ich immerhin auch noch drei Jahre Knast bekommen können. Selbst bei einer Bewährungsstrafe hätte ich auf jeden Fall ein weiteres halbes Jahr einsitzen müssen. In Österreich ist es so geregelt, dass du mindestens ein Drittel deiner Strafe absitzen musst.
Die Verhandlung wurde eröffnet. Ich war der Erste, der eine Aussage machen musste. Der Staatsanwalt versuchte, mich in die Pfanne zu hauen, hatte aber im Prinzip nichts gegen mich in der Hand. Ich durch-
schaute sein Spiel, blieb cool und beantwortete höflich alle Fragen. Darauf war er nicht vorbereitet. Seine Strategie zielte darauf ab, mich aus der Reserve zu locken. Je länger ich seinen Fragen standhielt, desto verärgerter wurde er, woraufhin er ziemlich viele Fehler machte und sogar mehrfach vom Richter getadelt wurde.
Dann kamen die Typen nach vorn, einer nach dem anderen, ein Opfer, sechs Zeugen. Als ich sah, wie sie mit ihren 08/15-Klamotten auf der Bank saßen, hätte ich ihnen am liebsten wirklich mal die Fresse poliert. Die konnten keinen geraden Satz sagen, jeder machte eine andere Aussage und sie widersprachen sich die ganze Zeit. Auch der Staatsanwalt ärgerte sich sichtlich darüber, dass sie so viel Unsinn redeten. Irgendwann hatte selbst der Richter die Schnauze voll und unterbrach die Verhandlung zur Mittagspause. Ich spürte, dass er mittlerweile auf meiner Seite war.
14 Uhr. Ich musste in einem separaten Zimmer warten, während sich mein Anwalt, der Richter und der Staatsanwalt trafen, um einen Deal auszuhandeln. Nach einer Stunde kam mein Anwalt mit einem Grinsen zurück in das Zimmer.
»Herr Ferchichi, sie machen uns einen Vorschlag.«
»Ich höre.«
»Passen Sie auf: Sie übernehmen die Verantwortung für den Fall, bezahlen ein Bußgeld von 20000 Euro und das Verfahren wird eingestellt.«
»Ich soll die Verantwortung übernehmen?«, fragte ich.
»Keine Sorge. Das ist nur eine Formalie. Die Verantwortung zu übernehmen, ist kein Schuldanerkenntnis.«
»Ist es dann sofort vorbei?«
Mein Anwalt nickte.
»Okay, alles klar. Scheiß auf die Kohle. Ich übernehme die Scheiß-verantwortung.«
Dann war es vorbei.
Als ich aus dem Gerichtsgebäude kam und die Treppenstufen runterlief, standen dort die Typen mit ihren Eltern herum und schauten mich verhasst an. Ich konnte es mir nicht verkneifen und ging zu ihnen herüber.
»Eine Frage!«, sagte ich ihnen genüsslich in ihre hässlichen Visagen. »Was hat euch das jetzt gebracht?«
Es kam keine Antwort.
»Wie fühlt sich das an, sich nicht an sein gegebenes Ehrenwort gehalten zu haben?«
Keine Antwort.
»Wenn ich
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