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Bushido

Bushido

Titel: Bushido Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fuchs-Gamboeck , Georg Rackow
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hätte denken können. Lustig war es trotzdem.

Wir teilen, verstanden?
    Meine Zellen-Kumpels hatten überhaupt keine Erfahrung damit, wie es ist, mit anderen Menschen zu teilen. Für sie galt das Motto: »Meins, meins, meins, und keiner von euch darf davon etwas abhaben.« Das musste ich dringend ändern. So eine Einstellung ging ja gar nicht klar. Wir waren eine Crew, also mussten wir uns gegenseitig helfen und zusammenhalten. Wie schon gesagt, das Essen im Knast schmeckte richtig eklig. Ich brachte jedenfalls nichts von dem Fraß runter. Deshalb machte ich nach einer Woche, als der Kiosk wieder geöffnet hatte, für uns alle einen Großeinkauf: Brot, Kellogg’s Smacks, Thunfisch, Nektarinen, Heringsfilets, Tomaten, Obst, Kekse, Nutella, Nassrasierer, Deo, eine Stange Zigaretten für meine Atzen und so weiter. Ich räumte den ganzen Einkaufswagen voll. Zurück in der Zelle traf ich auf drei verwirrte Gesichter.
    »Was ist denn mit euch los?«, fragte ich, während ich meinen Einkauf auspackte.
    »Ist das alles für dich?«, fragten sie zurück.
    »Seid ihr behindert? Das ist für uns alle.«
    Ich holte die Stange Kippen aus einer der Tüten und warf sie Manni hoch, der in seinem Bett chillte.
    »Nein, das können wir doch nicht annehmen«, meinten sie.
    »Haltet mal eure Klappe. Raucht und esst euch satt. Wir chillen jetzt.«
    Dann packte ich den Mini-Fernseher aus, den ich für 180 Euro ge-kauft hatte. Meine Atzen staunten nicht schlecht. Endlich wieder etwas Abwechslung im Knast-Alltag.
    Am gleichen Abend gab es ein Fußball-Länderspiel zwischen Österreich und Irland, und immer, wenn die Iren eine Torchance hatten, konnte man die Jubelschreie durch das ganze Gefängnis hören. Sonst schauten wir den ganzen Tag ORF 1, der ohne Ende Spielfilme zeigte: Stargate, Mission Impossible 1 und 2, Eraser, Verlockende Falle und jede Menge Steven-Seagal-Filme. Genau das Richtige für mich. Ohne Fernseher wäre ich im Knast durchgedreht.

Die Haftprüfung
    Wenn nach der ersten Haftprüfung kein Urteil gefällt wird, so wie es bei mir der Fall war, dauert es zwei Wochen bis zur nächsten Haftprüfung. Dann wiederum drei Monate bis zur dritten. Das kann sich bis zu einem halben Jahr in die Länge ziehen. Vor meiner zweiten Haftprüfung spielte mein Strafverteidiger die verschiedenen Szenarien durch, die eintreten könnten. Wir saßen in dem Raum, in dem ich schon mit Heiner gesessen hatte. Ich stellte mich vor das Fenster, schaute raus und hörte zu. Es stand viel auf dem Spiel. Entweder würde ich auf Bewährung freikommen, dann hätte ich mich nur an irgendwelche Auflagen halten müssen, oder ich müsste damit rechnen, mindestens für weitere drei Monate im Knast zu bleiben. Dann hätte man zwar noch Einspruch beim Oberlandesgericht einlegen können, aber wenn auch die ablehnten, wäre man richtig gefickt
und man hätte bis zur richtigen Verhandlung in U-Haft gesessen. Man hatte also nur einen Versuch. Mir war das egal. Ich fühlte mich unschuldig.
    Mein Verteidiger versuchte mich davon zu überzeugen, dass ich wenigstens ein bisschen was zugeben sollte, aber ich schüttelte nur ablehnend mit dem Kopf. Nehmen wir doch mal das WM-Finale zwischen Frankreich und Italien, als Zinedine Zidane dem italienischen Abwehrspieler Marco Materazzi einen Kopfstoß gegeben hatte. Dafür hatte er die rote Karte gesehen. Niemand konnte verstehen, warum einer der besten Fußballer aller Zeiten in seinem letzten so wichtigen Spiel so krass durchgedreht war. Ich schon. Der Italiener hatte auf dem Platz Zinedines Familie beleidigt, deshalb verteidigte Zidane seine Ehre und schickte ihn zu Boden. Ich hätte genauso gehandelt. Die Familie steht über allem. Der Typ hatte auf dem Parkplatz zwar nicht meine Familie beleidigt, aber wenn ich nur einen Funken Ehre und Stolz in mir trug, musste ich hart bleiben.
    »Niemals!«, sagte ich ruhig.
    Mein Verteidiger schaute mich überrascht an.
    »Die Anzeige ist nicht gerechtfertigt. Nach dem Gerangel haben wir uns alle die Hände gegeben und uns gegenseitig für die Sache entschuldigt.«
    Mein Verteidiger machte sich Notizen.
    Der Tag der zweiten Haftprüfung war gekommen. Es wurde ernst. Mit meinem Verteidiger kam ich in den Verhandlungsraum, in dem der Haftrichter und der Staatsanwalt schon auf uns warteten. Ich merkte sofort, dass der Staatsanwalt mich gern verurteilt gesehen hätte. Die Situation war irgendwie absurd, da er sich die Biografie von meiner Homepage heruntergeladen hatte und daraus

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