Bushido
zitierte. Nach dem Motto: Der Angeklagte war früher Mitglied in einer Gang, hat schon viele Schlägereien miterlebt, redet in seinen Texten über Gewalt, Sex, Mafia und Drogen. Er ist einfach ein schlechter Mensch. Dafür müssen wir ihn verurteilen.
Ich schaute meinen Strafverteidiger verwundert an, doch er schmunzelte nur und flüsterte mir ins Ohr: »Keine Sorge, Herr Ferchichi. Der hat nichts in der Hand. Ihm fehlen die Beweise. Ich mache das schon.«
Dann stand er auf, knöpfte sich sein Jackett zu und schritt vor den Richter. Mein Herz fing an, langsam das Tempo zu erhöhen. Hoffentlich war mein Verteidiger sein Geld wert.
»Wir dürfen meinen Mandanten doch nicht wegen seiner Vergangenheit und erst recht nicht wegen seiner Musik einsperren«, trug er sachlich vor und zog direkt sein Ass aus dem Ärmel. »Man kann ja auch nicht automatisch davon ausgehen, dass unser Hansi Hinterseer nie einer Fliege etwas zuleide tun könnte, nur weil er harmlose Volkslieder singt. Genauso wenig kann man das Gegenteil von einem Musiker behaupten, der aggressive Musik macht.«
Volltreffer. Dagegen konnte der Staatsanwalt nichts mehr sagen. Der Haftrichter meinte, dass er mit meinem Verhalten zwar nicht zufrieden sei, aber da ich mich während meiner Zeit im Gefängnis sehr gut benommen hätte, mich gut artikulieren könnte und eigentlich ein anständiger Kerl sei, könnte er mich mit gutem Gewissen auf Bewährung entlassen.
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Die Bewährungsauflagen waren 100000 Euro Kaution, die Teilnahme an dieser Anti-Aggressions-Therapie und bis zur Hauptverhandlung ein fester Wohnsitz in Linz, was bedeutete, dass ich Österreich nicht verlassen durfte.
Universal überwies noch am gleichen Tag die Kaution, was zufälligerweise genau der Betrag war, den ich von ihnen als Vorschuss für mein Album Staatsfeind Nr. 1 bekommen sollte. Es dauerte aber noch zwei Tage, bis das Geld in Österreich war, deshalb kam ich nicht sofort frei. Auf dem Weg zurück in meine Zelle begleitete mich mein Verteidiger. Vor der letzten Sicherheitstür blieben wir stehen und schüttelten uns die Hände.
»Eine Frage«, meinte ich neugierig. »Wie kamen Sie auf die Nummer mit Hansi Hinterseer?«
Mein Verteidiger schmunzelte. Er hätte das im Gefühl gehabt, antwortete er mit einem Augenzwinkern.
Die Tür ging auf, wir verabschiedeten uns und ich lief zufrieden den Zellentrakt entlang.
Asyl bei Chakuza
Zum Glück konnte ich Chakuzas Wohnung in Linz als Wohnsitz angeben. Dafür werde ich ihm auch auf ewig dankbar sein. Zur damaligen Zeit kannten wir uns ja noch gar nicht richtig. Wir hatten eine Woche lang zusammen Musik aufgenommen. Mehr nicht. Dann kam ich schon in den Knast und die Zeitungen schrieben, dass ich ein krasser Gangster wäre, ein Schläger der übelsten Sorte, ein asozialer Ausländer, der kleine Jungs ins Krankenhaus prügelte. Ich hätte schon verstehen können, wenn Chakuza so eine Situation irritiert hätte. Die Eltern von DJ Stickle wollten zum Beispiel auch nicht, dass ihr Sohn mit mir abhing. Ich war ihm deswegen zwar nie böse, aber er hatte sich schon beeinflussen lassen. Chakuza hielt von der ersten Minute an zu mir und sagte etwas sehr Cooles:
»Bushido, wir sind Kumpels. Du hast uns das Vertrauen gegeben, dein Album mit uns zu produzieren. Selbstverständlich helfe ich dir. Dafür sind Freunde ja da.«
Das war schon krass.
Später erfuhr ich, dass es für ihn eine große Überwindung war, mich in seiner Wohnung aufzunehmen, da er nie fremde Menschen an sich heranließ und schon gar nicht in seine Wohnung aufnahm. Dort war auch alles total sauber und steril. Ich machte mich mal auf die Suche nach einem Staubkorn, aber fand keins. Wirklich. Jeder Mensch hat wohl so seine Eigenheiten. Deswegen war es ja doppelt so krass, dass er über seinen Schatten sprang. Ich bin jeden Tag in diesen Delikatessenladen gefahren und habe frische Zutaten gekauft, die Chakuza abends, wenn er nach Hause kam, für uns zubereitete. Er hatte ja eine Ausbildung als Koch absolviert und zauberte mir die leckerste Pasta meines Lebens. Ganz ehrlich: Seine Hilfe hat mir sehr viel bedeutet.
Undercover in Berlin
Selbst während meiner Bewährungszeit war ich fast die ganze Zeit undercover in Berlin. Ich wurde am 19. August 2005 entlassen, einen Tag vor dem Geburtstag meiner Mutter. In derselben Nacht kam ich in Berlin an, gegen drei Uhr, besorgte Blumen, 55 Rosen, klingelte
bei meiner Mama und gratulierte ihr zum Geburtstag. Es
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