Butenschön
Dazu ist die Story zu heiß. Und zu einträglich. Wenn ich da Erfolg habe, brauche ich die nächsten Jahre nicht zu arbeiten.«
»Beneidenswert.«
»Allerdings ist der Einsatz auch hoch. No risk, no fun. Deshalb habe ich mich hier verbarrikadiert, um bloß keinen auf falsche Gedanken zu bringen. Wenn der Koschak nicht im Land ist, kann man ihn auch nicht ausschalten, klar?«
»Und Sie verlassen diesen Raum nie?«
»Nicht für eine Sekunde. Zu essen und trinken habe ich genug; Handy, Internet, alles da. Was zu regeln ist, regele ich von hier unten. Falls ich doch einmal raus müsste, würde ich es mitten in der Nacht tun. Aber die Sache ist demnächst überstanden. Keine Sorge, ich werde hier unten schon nicht verfaulen.«
»Komm, wir gehen«, meinte Covet und erhob sich. Er schämte sich wohl für seinen Berufsstand.
»Der Dokumentendeal wird ebenfalls in den nächsten Tagen über die Bühne gehen«, sagte Koschak. »Das können Sie der Deininger ausrichten. Wenn ich daran denke, mache ich es selbst, aber ich habe gerade den Kopf dermaßen voll von der anderen Geschichte.«
»Worum könnte es sich da wohl handeln?«, überlegte ich in Miss-Marple-Manier. »Irgendwas mit Tschetschenien? Weißrussland? Sagen Sie nur kalt oder warm.«
»Sehr komisch.«
»So bin ich halt, Herr Koschak. Könnten Sie mir zum Abschied einen Filzschreiber leihen?«
»Wieso das?«
»Ich würde gerne ein Schild an Ihr Gartentürchen hängen: Zu Koschak eine Treppe tiefer.«
Seine Mundwinkel zuckten. Wahrscheinlich fragte er sich gerade, wo seine Waffe lag.
»Ich kann es aber auch lassen«, fuhr ich fort. »Unter der Bedingung, dass Sie mich sofort informieren, wenn sich in Sachen Dokumentenübergabe etwas tut. Ich will dabei sein.«
»Warum?«
»Zu Ihrer Sicherheit. Was die Dokumente enthalten, interessiert mich nicht. Ihre Sensationsstory ebenso wenig. Ich will bloß herausfinden, wer hinter dem Brandanschlag steckt.«
Er kniff die Augen zusammen. »Gefällt mir nicht.«
»Mir gefällt auch nicht, was Sie tun. Was Sie mit Türen tun vor allem. Wir können Sie auffliegen lassen, Herr Koschak. Arbeiten wir lieber zusammen.«
»Meinetwegen.«
»Gut, das war die erste Bedingung. Und die zweite: Ich brauche mehr Kopfschmerztabletten. Die Rückfahrt zieht sich.«
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
15
Zwischen Frankfurt und Heidelberg wuchs mir eine Beule, groß wie ein Zierkürbis. Alle Naslang tastete ich sie ab oder besah mich im Rückspiegel. Bei Darmstadt begann sie blau zu schillern, hinter Weinheim kam ein sattes Grün dazu. Linkerhand ertrank die Bergstraße in den Farben des Herbstes, meine Schläfe setzte einen malerischen Kontrapunkt.
Eine Zeitlang hingen wir unseren eigenen Gedanken nach. Koschak hatte sich auch beim Abschied keinen Schritt aus seinem miefigen Kellerloch bewegt. Als wir endlich draußen waren, schlugen wir drei Kreuze. Der Nachbarin erklärten wir, der Journalist sei an einer brandheiß zubereiteten Story dran und müsse noch zwei, drei Tage den Abwesenden spielen. Bis dahin solle sie niemandem etwas davon erzählen, den beiden Jungs auch nicht. Dann wünschten wir guten Appetit und gingen.
Auf Höhe des Melibokus endete unser Schweigen. »Wie wars eigentlich da unten?«, fragte ich.
»In Ägypten? Auch nicht viel anders als hier.«
»Dachte ich mir.«
»Nein, ehrlich. Alle sprechen gebrochen englisch, und in jedem Stadtzentrum gibt es H & M. Wie in Heidelberg.«
»Da war ich noch nie einkaufen.«
»Siehst du? Dann kannst du auch nach Ägypten fahren.«
War das logisch? Eine Zeitlang grübelte ich über den Fehler in seiner Schlussfolgerung nach, fand ihn aber nicht.
Covet gähnte. »Machen wir ein Buch daraus? Aus deinem Fall, meine ich.«
»Warts ab. Bis jetzt ist ja noch nicht viel passiert.«
Er warf mir und speziell meiner Beule einen skeptischen Seitenblick zu, ohne allerdings zu widersprechen. Kam stattdessen auf sein aktuelles Lieblingsthema zurück: meine Premierenlesung. Unsere Premiere, genauer gesagt! Wie schön, dass alles so reibungslos geklappt habe. Wie schade, dass er nicht dabei gewesen sei. Nächstes Mal werde er die Veranstaltung moderieren, dann könnten die Leute besser zwischen Autor und Erzähler unterscheiden, weil die dann ja als getrennte Personen vor ihnen säßen, und natürlich müsse das Ganze in einer größeren Buchhandlung stattfinden. Mit Tischen, die sich unter der Last der Exemplare bögen,
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