Butenschön
schau her«, hörte ich mich sagen. Hinter mir atmete Covet pfeifend aus.
Auf einem Schreibtisch, zwischen Bergen von Zeitungen und Kopien, summte ein Laptop vor sich hin. Einer der Papierstapel wurde von einem Teller mit angebissenen Broten gekrönt, ein anderer von Coladosen. In einer Ecke des Raums stand eine Liege, darauf zerknüllte Bettwäsche und eine Zeitschrift. Die beiden Fenster waren zusätzlich zu den heruntergelassenen Rollläden mit dunklem Stoff verhängt.
All das nahm ich, in der geöffneten Tür stehend, auf den ersten, forschenden Blick wahr. Im nächsten Moment sah ich etwas Dunkles auf mich zukommen. Es kam so schnell, dass ich nicht einmal im Ansatz reagieren konnte. Der Schmerz pfiff bereits durch meinen Schädel, als meine Ohren ein hässlich dumpfes Geräusch registrierten: Tür auf Schläfe.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
14
Wie lange gönnte ich mir ein Päuschen? Höchstens ein paar Sekunden. Eine richtige Ohnmacht war es nicht, lediglich ein kurzes Innehalten, Sortieren. Jedenfalls empfand ich es als unangenehm, zu Boden zu gehen, auf dem Boden zu liegen, mich nicht aufrappeln zu können. Über mir zeterte Covet, dann war da noch jemand – klar, so eine Tür schlug einen ja nicht von selbst k.o. –, der ebenfalls herumbrüllte. Ich stöhnte. Es tat gut, sein eigenes Stöhnen zu hören. Mein Schädel war ein Puzzle aus Knochenplättchen. 500 Teile, mindestens.
»Ganz ruhig!«, schrie Marc. »Wir tun nix!«
»Deine Hände, du Arschloch! Ich will deine Hände sehen!« Das war der andere.
Mühsam drehte ich mich zur Seite, stützte mich auf einen Ellbogen, justierte den Blick. Ich lag auf der Türschwelle, zu Füßen Covets. Mein Journalistenfreund schlotterte, was die Muskeln hergaben, beide Arme schräg nach oben gereckt, als wolle er einen Bus anhalten. Mitten im Raum, von den Deckenlampen grell ausgeleuchtet und nicht weniger zitternd, stand ein Typ mit aschblondem Kurzhaar und stieren Augen. Seine nach vorne gestreckten Hände umklammerten einen Revolver.
»Nicht bewegen!«
Dieser Befehl konnte nicht mir gelten. Immer noch stöhnend, brachte ich meinen Oberkörper in die Senkrechte und lehnte ihn gegen den Türpfosten. Welchen Zweck hatten solche Schmerzen? Dass meinem Kopf die Begegnung mit dem beschleunigten Pressholz nicht gut getan hatte, wusste ich selbst. Da brauchte mich mein spirales System, oder wie das hieß, nicht ständig daran zu erinnern. Vor allem nicht in dieser Nachdrücklichkeit.
»Nehmen Sie die Pistole weg!«, japste Covet. »Wir wollen doch nur mit Ihnen reden.«
»Schnauze!«
»Es ist ein Revolver«, sagte ich, die Augen geschlossen. »Keine Pistole.«
»Du da unten bleibst auch ganz ruhig! Keine Bewegung!«
»Haben Sie Schmerztabletten im Haus?«
Endlich herrschte Stille. Der Zittermann im Zimmer senkte seine Waffe ein wenig in meine Richtung und schaute unschlüssig drein. Der andere Zittermann hielt den Atem an. Wahrscheinlich hätte ich mitgezittert, wenn ich dazu in der Lage gewesen wäre.
»Kopfschmerztabletten«, wiederholte ich. »Mensch, Herr Koschak, warum können wir zwei nicht wie vernünftige Menschen miteinander quatschen? Seit Tagen versuche ich, Sie telefonisch zu erreichen, und kaum bemühe ich mich persönlich nach Frankfurt, braten Sie mir eins mit der Tür über.« Ich klappte ein Auge auf. »Einer Hobbykellertür, auch das noch. Das ist abgeschmackt.«
Koschak glotzte mich an, als hätte ich Obstsalat im Schädel. Was ja auch irgendwie zutraf.
»Kann ich die Hände runternehmen?«, flüsterte Marc, nachdem er ausgeatmet hatte.
»Nein!«, rief Koschak. »Ich kapiere gar nichts. Wer seid ihr und was wollt ihr hier?«
»Erklär du es ihm«, bat ich.
Marc tat mir den Gefallen. Die Hände weiterhin brav an der Flurdecke, berichtete er von meinen Ermittlungen im Fall Deininger, vergaß auch unsere Namen und den Zweck unseres unerwarteten Besuchs nicht. Okay, das aktuelle Ägyptenwetter interessierte hier keinen, und auch sonst waren Chronologie und Kausalität seines Berichts eher unorthodox zu nennen. Aber solange er auf die Erwähnung des Kaffeeflecks im Lokalteil verzichtete, war ich schon zufrieden.
Koschak sah nicht aus, als hätte er viel kapiert. »Butenschön?«, fragte er schließlich. »Es geht um Professor Butenschön?«
Ich nickte.
»Ach so«, sagte er. »Darum also. Na, dann …« Endlich ließ er den Revolver sinken. Auch Covets Hände
Weitere Kostenlose Bücher