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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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glauben Sie das? Ich bin doch nicht so blöd, meine eigene Story zu gefährden! Wofür halten Sie mich?«
    Ich zuckte die Achseln. Ja, wofür hielt ich ihn eigentlich? Für eine verdammt seltsame Type zwischen Sensationsgier und Verfolgungswahn, dem nur die Fluppe im Mundwinkel zum Klischeebild vom Investigativreporter fehlte.
    »Lange halte ich es hier nicht mehr aus«, warf Marc mit vorwurfsvollem Ton ein. Und es stimmte; die Ansammlung aufgeheizten Stickstoffs machte den Aufenthalt in dem Raum auf Dauer zur Qual. Ganz zu schweigen von meinen Kopfschmerzen.
    »An wen haben Sie sich gewendet, als Sie von den wiederaufgetauchten Butenschön-Dokumenten erfuhren?«, fragte ich Koschak. »An wen außer Frau Deininger?«
    »An niemanden!«
    »Ach.«
    »Ja, ach. Wie sollte ich das Zeug denn sonst beurteilen?«
    »Warum kam der Verkäufer dann überhaupt auf Sie?«
    »Weil ich Russisch kann, weil ich gute Kontakte in den Osten habe und weil historische Themen mein Spezialgebiet sind. Aber um festzustellen, ob es sich bei dem angebotenen Material tatsächlich um Dokumente aus Butenschöns Nazizeit handelt, musste ein Fachmann her. Ganz einfach.« Er schnappte sich eines der angebissenen Brote und futterte drauf los. Schon wieder so eine Übersprungshandlung. Die letzte hatte ich im Hause Deininger erleben dürfen.
    »Sie haben doch bestimmt bei verschiedenen Zeitungen vorgefühlt und Ihre Story angekündigt. Man muss ja wissen, was im Fall der Fälle herausspringt. Ob sich die Sache überhaupt lohnt.«
    »Quatsch, das kann ich schon selbst einschätzen. Sobald ich weiß, dass die Dokumente etwas wert sind, kommen sie auf den Markt. Und im Festlegen von Preisen habe ich mittlerweile Routine, das können Sie mir glauben.«
    »Von Ihnen kann man ja glatt etwas lernen«, meinte Covet mit viel Zucker in der Stimme. Ich fragte mich, was er mehr an seinem Zunftkollegen hasste: seine Ausdrucksweise, sein Berufsethos oder die Cola.
    »Und zu den Butenschöns haben Sie auch keinen Kontakt aufgenommen?«, bohrte ich weiter.
    »So dreist bin ich nicht, keine Sorge. Und bevor Sie glauben, der Koschak ist nur hinter der Schlagzeile her, sage ich Ihnen eines: Ich habe nicht vor, den alten Butenschön in die Pfanne zu hauen. Ich will, dass die Sache aufgearbeitet wird, und zwar wissenschaftlich. Deshalb der Kontakt zur Deininger. Wenn die Dokumente beweisen, dass Butenschön zu Recht rehabilitiert wurde, kriegt er eine super Presse. Und wenn er Dreck am Stecken hat, bekommt er Windstärke 12 von vorn. So ist das nämlich, meine Herren.«
    Wir schwiegen beeindruckt. Starreporter Koschak, der Vorkämpfer für blitzsauberen Journalismus! Schade, dass dieser Kampf aus dem Kellergeschoss eines Bungalows in Goldstein heraus geführt werden musste. Es nahm der Sache ein wenig von ihrem heroischen Glanz.
    »Schön«, sagte ich. »Wenn außer Ihnen und Frau Deininger niemand sonst von den Dokumenten weiß …«
    »Und außer Ihnen«, ging er hastig dazwischen. So hastig, dass etliche Brotkrümel durchs Zimmer sprühten. »Fragen Sie lieber die Deininger, wem sie noch davon erzählt hat.«
    »Das habe ich schon. Ihr Doktorvater ist eingeweiht. Und natürlich ihr Mann. Aber dass die beiden nichts weitergeben, liegt in ihrem eigenen Interesse. Was ich sagen wollte: Wenn kein Außenstehender von der Existenz der Dokumente wusste   –   warum haben Sie dann solche Angst, Herr Koschak?«
    »Habe ich das?«
    »Sie verstecken sich. Sie tun, als seien Sie verreist. Warum dieser Aufwand?«
    »Das«, antwortete er und wischte sich mit aller Entschiedenheit den Mund ab, »hat mit der Sache Butenschön überhaupt nichts zu tun.«
    »Sondern?«
    »Mit etwas völlig anderem.«
    »Und das wäre?«
    »Kein Kommentar. Sie müssten mich schon foltern, um etwas aus mir herauszubekommen.«
    »Als Revanche für den Schlag mit der Tür hätte ich da ein paar Ideen.«
    »Hören Sie«, seine Miene signalisierte Ernsthaftigkeit, »ich bin an einer Geschichte dran, die gefährlich ist. Viel gefährlicher als ein paar peinliche Unterlagen aus dem Dritten Reich. Zumindest könnte sie es werden. Wie gesagt, mein Spezialgebiet ist Osteuropa. Und was sich aus der ehemaligen Sowjetunion inzwischen bei uns breitgemacht hat, ist nicht immer die Crème de la crème, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Eigentlich nicht. Russen sind doch nette Menschen, trinken den ganzen Tag Wodka und singen traurige Weisen zur Balalaika.«
    »Sie werden von mir nicht erfahren, worum es geht.

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