Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
Vom Netzwerk:
Kommissionsbericht, und da kommt er über weite Strecken nicht gut weg.«
    »Zugestanden. Das war auch bitter nötig. So ein Buch konnte übrigens nur von Historikern geschrieben werden, von Vertretern eines anderen Fachs. Dafür fehlen einige wichtige Punkte. Dass Butenschön die deutsche Biochemie in eine Sackgasse geritten hat, kommt dort zum Beispiel überhaupt nicht vor. Oder seine Art, Menschen zu führen, sein Pünktlichkeitswahn. In dem Buch steht was von preußischer Disziplin   –   ein glatter Euphemismus! Das war schon krankhaft, wie er morgens um acht an der Institutspforte saß und jede Minute notierte, die seine Mitarbeiter zu spät kamen. Oder wie er einen zur Sau machte, wenn ein Referat schlecht vorbereitet war, meine Fresse!«
    »In jedem Fernsehkrimi würde der Ermittler jetzt sagen: Herr Butenschön hat sich also eine Menge Feinde gemacht?«
    »Feinde? Lieber Herr Koller, Sie kennen die Universität nicht. Dass dort mit harten Bandagen gekämpft wird, ist doch keine neue Erkenntnis. Butenschön war nicht besser und nicht schlechter als andere Institutsleiter auch. Bloß wird diese Tatsache von dem übergroßen Denkmal, das man ihm und das er sich selbst gesetzt hat, verdeckt. Darum geht es mir, um nichts anderes. Der Mann hat geniale Seiten und erbärmliche Seiten, ganz einfach. Ich bewundere ihn immer noch, keine Frage. Nur blende ich das Negative nicht aus. Und deshalb kann ich mich angesichts der Huldigungsorgie, die nun für ihn veranstaltet wird, eines gewissen Übelkeitsgefühls nicht erwehren.«
    Mit einem Nicken schlug ich die Beine übereinander. Es war höchst verlockend, Dörte Malewski auf die neuen Butenschön-Dokumente anzusprechen und sie nach ihrer Einschätzung zu fragen. Aber ich hatte Evelyn Deininger gegenüber Stillschweigen gelobt. Also blieb nur die übliche lahme Frage, was meine Gastgeberin ihrem ehemaligen Chef so alles zutraute, wenn er jemanden einschüchtern wollte.
    »Einen Brandanschlag jedenfalls nicht«, lautete die Antwort. »Vielleicht seine neue Frau, aber die kenne ich zu wenig. Dem Butenschön, den ich erlebt habe, standen jede Menge anderer Druckmittel zur Verfügung, um Leute handzahm zu machen. Das spielte sich alles innerhalb des universitären Machtgefüges ab. Die Daumenschrauben des Akademikers, wenn Sie so wollen.«
    »Nur dass Butenschön schon lange kein Mitglied der Uni mehr ist. Kein aktives, meine ich.«
    Zweifelnd wiegte sie den Kopf. »Das käme auf die Definition von ›aktiv‹ an. Sein Name gilt noch immer viel. Sehr viel, fragen Sie Frau Deininger.«
    »Hatten Sie in den letzten Jahren Kontakt zu ihm?«
    »Nein, wie auch? Als Lehrerin war ich nicht seine Kragenweite. Vielleicht dass ich ihm mal einen Brief geschrieben   …   aber gesehen habe ich ihn schon zehn, fünfzehn Jahre nicht mehr.«
    »Und zum Festakt gehen Sie auch nicht?«
    »Ich?« Sie lachte bitter. »Was hätte ich zu feiern, Herr Koller?« Eine der Katzen kam schnurrend angestrichen und sprang ihr in den Schoß.

     

     

     

     

    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

16

    Das Gebäude im Technologiepark durfte ich bald mein zweites Zuhause nennen. Ich stellte mein Rad in denselben Ständer wie an den Tagen zuvor, stolperte über dieselbe kleine Bodenschwelle, wandte mich routinemäßig nach links, schäkerte mit der Bronzebüste. Evelyn Deiningers Büro war abgeschlossen. Wahrscheinlich gewährte ihr der Kollege aus Taiwan noch immer Forscherasyl. Auf mein Klopfen dort antwortete niemand. Ich probierte die Tür, und siehe da, sie ging auf. Der Schreibtisch, der Laptop, die Piranhas, alles wie vorgestern. Nur Knödelchen fehlte.
    Eine Weile verharrte ich unentschlossen. Sollte ich hier warten? War ja nicht mein Zimmer. Auch nicht das von Evelyn, aber darum ging es nicht. Ich schritt zum Fenster und sah hinaus. Im Innenhof des Kastens, ein gutes Stück entfernt, saß Knödelchen auf einer Bank und rauchte. Weil sie mir den Rücken zuwandte, bemerkte sie mich nicht. Der Innenhof war kahl, schattig und lud nicht zum Verweilen ein. Aber Knödelchen saß dort, eine Hand am Kragen ihrer Jacke, die andere an der Zigarette. Dass sie zu den Rauchern gehörte, hatte ich gar nicht gewusst.
    Ich drehte mich um. Die Piranhas auf dem Laptopmonitor grinsten mich an. Piranhas grinsen ja immer: Mund auf, Zähnchen blecken, hihi. Gleich bist du unser Mittagessen. Ich überlegte. Wer eine Zigarette rauchte, brauchte Zeit. Nicht viel, aber mehr als

Weitere Kostenlose Bücher