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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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Gärtner aufzurufen. Ich schaffte es nicht. Es waren einfach zu viele. Und diejenigen, die ich durchsah, drehten sich ausnahmslos um Institutsthemen. Die liebe Forschung, Evelyns Promotion, Organisatorisches: Mehr zum Verhältnis Industrie/Wissenschaft findest du bei Wildenhagen (1990). Kapitel IV.2 muss unbedingt gekürzt werden. Am Dienstag kommen die neuen Energiesparlampen für eure Büros. Okay, sie duzten sich. Aber das war nun keine Überraschung mehr, wenn man an ihren Kopf auf seiner Schulter dachte.
    Ich stand erneut am Fenster, als sich Knödelchen und der Alpinist einen Kuss gaben. Keinen filmreifen Long-distance-Schmatzer, sondern einen eher flüchtigen Abschiedskuss. Ohne Umarmung. Evelyn erhob sich, steckte ihre Zigarettenschachtel ein und ging.
    Ein paar Augenblicke später traf sie mich im Institutsflur, wie ich mich gähnend in einem Stuhl mümmelte und in einer der herumliegenden historischen Zeitschriften blätterte. Womit man sich hier so die Zeit vertrieb, wenn einem langweilig war.
    »Warten Sie auf mich?«, fragte sie.
    »Klar, auf wen sonst?« Gerne hätte ich ihr von den langen, langen Minuten erzählt, die ich im Flur verbracht hatte, wartend, auf die Uhr blickend, an den Fingernägeln kauend, nicht wissend, was ich mit mir anfangen sollte   –   aber nötig war das nicht. Verdacht schöpfen würde sie höchstens, wenn ihr Bildschirmschonerprogramm den Schwarm Piranhas noch nicht wieder in die Freiheit entlassen hatte.
    »Ich war draußen, eine rauchen.«
    »Bei Ihnen hätte ich auf Nichtraucherin getippt. Sind Sie schon lange dabei?«
    »Nein.« Sie wies auf meine Stirn. »Haben Sie sich gestoßen?«
    »Kleines Duell heute Vormittag. Ich habe mich mit der Tür auf ein Unentschieden geeinigt.«
    Wir betraten das Büro, sie hängte ihre Jacke an einen Haken und setzte sich. Wenn ihr am Laptop etwas auffiel, ließ sie es sich nicht anmerken. »Okay, worum geht es?«
    »Um nichts Besonderes, Frau Deininger. Ich wollte Ihnen kurz vom Stand meiner Ermittlungen berichten. Genauer gesagt: von meinen Gesprächen mit Herrn Koschak und Frau Malewski. Koschak ist wohlauf, nur etwas in Sorge wegen einer anderen Geschichte, bei der er wohl zu viel Staub aufgewirbelt hat. Jedenfalls traut er sich vorübergehend nicht aus seinem Keller heraus. Aber er wird sich melden.«
    »Gut.«
    »Das Gespräch mit Frau Malewski war sehr aufschlussreich, in vielerlei Hinsicht. Ob und wie es mir allerdings in der Sache weiterhilft, weiß ich nicht.« Ich schlug die Beine übereinander. »Eine Unterhaltung mit den Butenschöns war mir leider nicht vergönnt.«
    »Ich habe es Ihnen prophezeit.«
    »Abwarten. So schnell gibt ein Max Koller nicht auf.« Fast hätte ich hinzugefügt: wie meine Leser längst wissen. Ich würde Evelyn mein Buch schenken, sobald die Sache hier überstanden war. »Irgendwie werde ich an den Alten noch rankommen. Gehen Sie eigentlich zur Feier in der Alten Aula?«
    »Ich bin nicht geladen.«
    »Zur privaten Geburtstagsfeier sicher auch nicht?«
    »Wieso sollte ich?«
    »Ich frage ja nur. Bei solchen Großereignissen mischen sich doch immer ein paar Überraschungsgäste unter die Geladenen. Anderes Thema: Wie geht es mit Ihrer Arbeit voran?«
    »Gut, warum?« Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn. »Wenn Sie speziell die letzten Tage meinen, da natürlich nicht. Den ganzen Trubel am Institut, die Polizei, mein Mann, das kann auch ich nicht komplett ausblenden. Aber bis dahin lief es ganz ordentlich.«
    »Wann wollen Sie fertig sein?«
    »Das hängt von dem Material aus Russland ab. Wie viel es ist, ob es umfangreiche Untersuchungen erfordert. Ich rechne mit mehreren Wochen.«
    »Apropos: Koschak lässt Ihnen ausrichten, dass die Übergabe jederzeit erfolgen kann.«
    »Sehr schön.« Wenn sie doch nur eine entspanntere Miene dabei gemacht hätte!
    »Finanziell stellt so ein Hinauszögern kein Problem dar?«
    »Wie meinen Sie das? Ich habe einen Lehrauftrag, auch nächstes Semester noch.«
    »Ein Stipendium haben Sie nicht?«
    »Nein.«
    »Nie eines beantragt?«
    Sie zögerte. Weil sie die Frage nicht beantworten wollte oder weil sie Argwohn schöpfte? »Doch, anfangs schon«, gab sie zu. »Das ging allerdings ziemlich in die Hose. Ich hatte mich beim Wissenschaftsforum beworben, ohne zu ahnen, dass dort alle mit Butenschön per Du sind. Was im Übrigen wohl für die meisten entsprechenden Stiftungen gilt. Und als die hörten, dass es um ihren Säulenheiligen geht, schrillten natürlich

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