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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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deutschen Instituten, aber da hatten lauter Butenschön-Schüler das Sagen. Für die USA hätte ich zudem ein Stipendium benötigt, und wer darüber entschied, können Sie sich denken.«
    »Klingt ja regelrecht klaustrophobisch.«
    »Das war auch so! Sie können sich nicht vorstellen, in welchen Gremien der Kerl überall saß. In den zentralen Fachgremien ohnehin. Aber auch im Deutschen Forschungsrat, in der Max-Planck-Gesellschaft, in der Gesellschaft deutscher Naturforscher, in der DFG   …   Immer ganz oben, immer dort, wo Entscheidungen gefällt wurden. Butenschön war sogar Berater der Kultusministerkonferenz. Verstehen Sie, er hat die Lehrpläne an unseren Schulen mitbestimmt! Was Sie als Pennäler gelernt haben, ist auf seinem Mist gewachsen.«
    Oder nicht gelernt haben, verbesserte ich im Stillen. Laut sagte ich: »Ganz ordentliche Bilanz für einen, der unter den Nazis Karriere machte.«
    »Butenschön hätte überall Karriere gemacht. Was sage ich: Er hat es ja getan. Vielleicht nicht immer guten Gewissens. Seine erste Stelle zum Beispiel, die trat er noch während der Weimarer Republik an. Das gefiel ihm gar nicht, schließlich diente er nun einem Staat, den er ablehnte. Und er musste ja auf die Verfassung schwören. Später unter den Nazis wurde ihm sicher auch mulmig, als er merkte, wohin der Hase lief. Na und? Butenschön sah sich als treuer Diener seines Volkes, als Soldat der Wissenschaft   –   seine Formulierung, nicht meine! –, und mit diesem Ethos ließ sich jede Diktatur ertragen. Bleiben Sie sitzen, ich muss die Katzen füttern.«
    Sie eilte ins Haus. Das braune Tier von vorhin hatte Zuwachs durch ein schwarz-weißes Exemplar bekommen. Beide Katzen schmiegten sich an die verschlossene Terrassentür, maunzten und verdrehten die Hälse. Als Dörte Malewski mit zwei vollen Tellern zurückkehrte, stellten sie sich auf die Hinterpfoten und langten bis fast zur Klinke.
    »Jaja, schon gut, ihr Gierhälse«, sagte die Rothaarige und ließ sie ein. »Es ist genug für alle da.«
    »Ihre Katzen?«, wollte ich wissen.
    »Nein, aus der Nachbarschaft. Um die kümmert sich keiner. Außer mir. Fische, sagten Sie? Hätte ich nicht gedacht.« Sie setzte sich und begann, an ihrem Ohrgehänge herumzufummeln. »Wo war ich, Herr Koller?«
    »Sie haben alles geschmissen, sagten Sie. Und dann? Wie ging es weiter bei Ihnen?«
    »Ich habe umgesattelt. Bio und Chemie auf Lehramt, Staatsexamen, drei Jahrzehnte Schuldienst. Naja, fast drei. Meine Rektoren hatten es nicht leicht mit mir. Ich erlaubte mir, gewisse Auszeiten zu nehmen, und ein Jahr auf Weltreise ging ich auch. Das kommt nicht gut, wenn man verbeamtet ist.«
    »Geht das überhaupt?«
    Sie lächelte. »Man muss halt frech genug sein. Mit meinen Schülern kam ich übrigens immer bestens aus. Die Kollegen waren das Problem. Beziehungsweise ich das Problem für sie. Wie auch immer, Lehrerin war nicht gerade mein Traumjob. Ich habe mich damit arrangiert, nur manchmal fuchst es mich noch heute, dass es einem einzigen Menschen gelingen konnte, mir meinen eigentlichen Weg zu verbauen.«
    »Verstehe. Und wie sehr fuchst Sie dieser Gedanke?«
    Ihr Blick krallte sich in meinen. »Komische Frage«, erwiderte sie. »Klingt nach: Wie weit würden Sie gehen, um sich an Albert Butenschön zu rächen?«
    »Nein, mich interessiert nur, welche Narben der Mann bei anderen …«
    »Schon gut, ich weiß, was Sie meinen. Narben, sicher, die gibt es. Wobei ich Ihnen nicht verraten werde, was ich im Traum mit dem Kerl schon alles angestellt habe. Die Gedanken sind frei. Aber sonst? Herr Koller, wenn ich mich an jedem rächen würde, der mir übel mitgespielt hat, hätte ich eine Menge Arbeit. Und darauf kann ich verzichten. Ich bin zufrieden mit meinem Leben. Mein Häuschen ist klein, aber mein, ich habe meinen Garten, meine Katzen, ab und zu bekomme ich Besuch von netten Menschen. Nur dass dieser Mann bis heute Studentinnen wie der kleinen Deininger das Leben schwer macht   –   ist das nicht ein Skandal?« Sie stand auf, um die Prozedur mit der Palme in der Ecke zu wiederholen. Erstaunlich, was aus so einem Näschen alles herauskam! »Der Kerl ist immerhin 100«, fuhr sie fort, als sie wieder saß, »und wahrscheinlich kommt er ohne fremde Hilfe morgens nicht aus dem Bett. Aber nach wie vor ist es verdammt heikel, kritisch über ihn zu schreiben. Butenschön wird noch aus dem Grab heraus seinen Biografen die Feder führen.«
    »Andererseits gibt es diesen

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