Butenschön
Polizei-Aikido. Kommissar Fischer war mir trotzdem lieber, auch wenn der in seinem ganzen Leben noch keine 500 Meter am Stück zurückgelegt hatte. Aber er war ihr Chef, und das zählte. Zumindest für Greiner und Sorgwitz.
Gerade wollte ich die Kaffeedose öffnen, als ich die Thermoskanne sah, die neben dem Herd stand. Ich hob sie an: voll. Christine war mir also nicht nur nicht gram, sondern hatte auch aus ihrem Fehlverhalten von vorgestern gelernt. Falls Kaffee in der Kanne war und nicht Blausäure.
»Auch ein Schlückchen, die Herren?«, begrüßte ich meine Gäste, die eben den Flur stürmten.
Greiner und Sorgwitz nickten, aber nicht als Antwort auf meine Frage. Sie nickten anerkennend, beifällig, ungläubig. Heiliges Staunen hatte sie ergriffen. Natürlich war das alles nur gespielt, es gehörte zu dem großen Beamtenwitz, der mit dem Haftbefehl begonnen hatte und ohne Pointe enden würde.
»Respekt«, sagte Greiner.
»Da schau her«, sekundierte Sorgwitz.
»Das ist ja eine richtige …«
»Geradezu eine Wohnung ist das!«
»Mit Zimmer an Zimmer.«
»Und richtigen Fenstern.«
»Am Ende geht sogar das Licht!«
»Jetzt übertreibst du aber.«
»Milch, Zucker?«, unterbrach ich. »Oder schwarz? Er ist allerdings koffeinhaltig, und wenn so ein Polizistenpuls die 200 überschritten hat …«
»Für mich nicht, danke!«, kam es von der Tür her. Kommissar Fischer, mein Heidelberger Lieblingspolizist, schlurfte herein. Sein Auftritt stand im schönsten Gegensatz zu dem seiner Mitarbeiter. Gelbliches Gesicht, schwere Tränensäcke, struppige Augenbrauen. Keuchend schloss er die Tür und zückte ein Stofftaschentuch, um die feuchtglänzende Stirn zu trocknen. »Ihre alte Wohnung lag eine Etage tiefer – oder täusche ich mich?«
»Sie täuschen sich, es kommt von den Treppenstufen. Die sind höher. Bergheimer Normalmaß, das fordert einen ganz anders. Außerdem werden wir alle älter, Herr Fischer.«
»Reden Sie keinen Quatsch! Älter als ich kann man nicht werden.«
»Jetzt, wo Sie es sagen, sehe ich es auch. Aber kommen Sie doch rein.«
»Ins Wohnzimmer«, ergänzte Greiner ehrfürchtig. »Herr Koller hat sich sozial in die Höhe katapultiert wie eine Rakete.«
»Reich geheiratet«, nickte Sorgwitz und erhärtete seine Feststellung durch ein stählernes Grinsen. »Würde mich nicht wundern, wenn er uns gleich sein Personal präsentierte. Oder lassen Sie nun Ihre Frau die Bierflaschen abstauben?«
»Ich bitte dich, Chris, dafür hat er doch seine Polinnen.«
»Ja, die habe ich«, blaffte ich. »Und eine Handvoll tschetschenischer Rausschmeißer, die schon immer zwei deutsche Beamte kleinfalten wollten. Also, letzte Chance: Kaffee, ja oder nein?«
»Danke, wir haben schon gefrühstückt«, lächelte Greiner. Seine Stirn war ein gemeißelter Block Granit.
Während ich die Thermoskanne und einen Becher aus der Küche holte, machten die drei es sich im Wohnzimmer bequem. Bequem hieß in diesem Fall, dass die beiden Wadenbeißer mit verschränkten Armen herumstanden wie Möbelstücke, Kommissar Fischer dagegen ließ sich ächzend auf einem Stuhl nieder. Ich setzte mich zu ihm und nahm einen großen Schluck.
»Also, meine Herren, was gibt es?«
Fischer blickte mich an, ohne zu antworten. »Wir nehmen Sie mit«, erklärte Kommissar Greiner an seiner statt. »Es wird ein längerer Aufenthalt. Packen Sie Ihre Zahnbürste ein, Schlafsachen stellt das Land Baden-Württemberg.«
Ich gähnte.
»Er glaubt es nicht«, grinste Kommissar Sorgwitz. »Da sieht man mal, wie sehr sich die Leute durch Ihren sozialen Aufstieg blenden lassen. Kaum haben sie einen Quadratmeter mehr Wohnfläche, halten sie sich für unangreifbar. Fatal, so was.«
»Und dafür zahle ich Steuern«, murmelte ich.
»Sagen Sie es ihm, Chef!«
»Sie sind verhaftet, Herr Koller.«
Eine Braue hebend, schielte ich zu ihm hinüber. Seit wann mischte der Kommissar bei diesen pubertären Geplänkeln mit? Färbte der schlechte Humor seiner Umgebung neuerdings auf ihn ab? Mein Kumpel Kurt, siehe oben, trank Orangensaft, Kommissar Fischer teilte sein Büro mit ehrgeizigen Jungspunden. Beides war auf Dauer gesundheitsschädlich. Wie auch immer: Ich hatte mir in den letzten Tagen nichts zuschulden kommen lassen, weder vor Butenschöns Haus noch in Frankfurt oder in der Handschuhsheimer Gärtnerei. Da konnten sie witzeln, solange sie wollten.
»Okay«, sagte ich. »Der Kaffee ist französische Importware, unversteuert. Aber das ist noch
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