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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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nicht. Mit Nachwuchssorgen hat es jedenfalls nichts zu tun, bleib mal ganz locker. Überhaupt, was wäre daran so schlimm? Irgendwann wird es ja Zeit.«
    »Was heißt hier, irgendwann wird es Zeit?« Ich sprang auf. »Das klingt ja, als gäbe es einen gesetzlich vorgeschriebenen Termin, an dem jeder für Nachwuchs zu sorgen hätte! Fatty ist Mitte 30, Eva auch, da sollte man sich das genau überlegen mit den Kindern. Vielleicht ist der Zug längst abgefahren, schließlich sind andere in dem Alter schon Großeltern.«
    »Max!« Fast mitleidig schüttelte sie den Kopf. »Wenn ich dich gestern gefragt hätte, wie es mit Evas und Fattys Nachwuchsplänen steht, hättest du gesagt, die beiden sollten sich mal schön Zeit lassen, sie seien noch nicht reif dafür. Heute meinst du, der Zug sei abgefahren. Hör zu, es ist deine Sache, wenn du keine Kinder willst; deswegen brauchst du dir noch lange nicht für andere Leute deine Sorgen zu machen, klar?«
    »Ich habe nie behauptet, dass ich keine Kinder will.«
    Sie lächelte. »Das Gegenteil hast du aber auch nie behauptet.«
    »Eva ist schwanger«, wiederholte ich zum mittlerweile dritten oder achten Mal und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich kenne Fatty besser als du. Der reagiert so, klare Sache. Innere Abwehr, kann mit keinem darüber reden, nicht mal mit mir. Nach seinem Tourmalet-Kollaps war es genauso: posaunt rum, es sei überhaupt nichts passiert, und geht seitdem auf wie Hefeteig.«
    Christine schwieg. Sie lächelte noch immer, aber irgendwie wirkte sie auch ein wenig traurig.
    An diesem Abend ging ich ohne einen Tropfen Alkohol zu Bett. Wenn man die Flasche Wein außen vor ließ, die wir zum Sauerbraten getrunken hatten. Und die zwei Bier in Schnakenbach. Und den Schnaps.
    Gott, es war schrecklich, so nüchtern zu sein.

     

     

     

    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

23

    Ich war eine Witzfigur. Ein Privatflic, verkleidet als Kellner. Zum ersten Mal in meinem Leben trug ich eine Bundfaltenhose. Schwarz. Die Schuhe: schwarz, eine zentimeterdicke Schicht Glanzcreme. Dafür war mein Hemd so weiß, dass mir die Augen tränten. Außerdem stank es: nach Chemie, nach Kaufhaus, nach was weiß ich. Neu halt. Christine hatte es auf meine Bitte hin besorgt und gleich gebügelt. Und auch sonst unterstützte sie mich tatkräftig bei meiner Verwandlung, zeigte mir, wo ich nachrasieren musste, überschminkte meine Beule und enthaarte die Ohrmuscheln. Ich schmiss mir eine Lotion ins Gesicht, bis ich mich fühlte wie ein Gigolo. Die Fingernägel wurden geschnitten, die Zähne geputzt. Meine Achselhöhlen schwammen in Deo.
    Verdammt, ich trug sogar eine Krawatte!
    »Man sieht das blöde Ding immer noch«, schüttelte Christine den Kopf und machte sich erneut an meiner Beule zu schaffen.
    »Du solltest zum Theater gehen«, knurrte ich. Scheiß auf die Beule, eine Witzfigur war ich auch so. »Maskenbildner werden immer gesucht.«
    »Ich hab mal ein Praktikum in der Geisterbahn gemacht. Bei meinen Figuren mussten die Leute reihenweise kotzen.«
    Als ich mich im Spiegel sah, glaubte ich ihr sogar. Meine Haut war weiß getüncht, der Hemdkragen schnürte meinen Hals ein, meine Stirn glänzte.
    »Ein bisschen Kajal um die Augen wäre nicht schlecht«, meinte sie.
    »Untersteh dich! Finger weg!«
    »Willst du nun ein moderner Dienstleister sein oder nicht? Wo bleibt deine Professionalität, Max?«
    Ich ergriff die Flucht. Was zu viel war, war zu viel. Am Ende erkannte mich noch jemand auf der Straße. Einer aus dem Englischen Jäger womöglich, nicht auszudenken!
    »Wie, auf der Straße?«, kam sie mir hinterher. »Erzähl mir nicht, du wolltest mit dem Fahrrad fahren! Und dabei die ganze Aufmachung ruinieren! Kettenöl auf der Hose vielleicht? Dafür habe ich nicht so geschuftet!«
    Sie brachte mich höchstpersönlich zur Panoramastraße. An jeder Ampel, vor der wir hielten, sank ich tiefer in den Beifahrersitz, drehte das Gesicht weg, wenn jemand in den Wagen schaute. Christine amüsierte sich köstlich.
    »An diesen Anblick könnte man sich direkt gewöhnen«, lächelte sie, als ich ausstieg. »Vielleicht solltest du in einer ruhigen Minute noch deine Nasenhaare stutzen.«
    »Wenn das vorbei ist, rasiere ich mich nie mehr. Harry Rowohlt, verstehst du?«
    »Keinen Kuss?«
    »Damit der Gips abfällt? Lieber nicht.«
    Bester Laune fuhr sie davon. Ich dagegen war so bedient, dass ich nicht einmal den Einzug in Butenschöns Heiligtum

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