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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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Generationen eine Warnung mitgegeben: Passt auf, dass es euch nicht so ergeht wie uns! Wehret den Anfängen! Stattdessen labert der Kerl was von Reinheit der Wissenschaft; Eliten wie wir schwimmen überall oben. Das kotzt mich dermaßen an, Fatty, und dafür habe ich null Verständnis.« So, nach diesem Plädoyer schob ich mir die Gabel mit der Knödelscheibe endlich in den Mund. Kalt geworden, natürlich.
    Christine, typisch Ex-Frau, schenkte mir ein Lächeln zwischen Spott und Zustimmung. Fatty fiel nichts anderes ein, als sich wieder mal am Kopf zu kratzen.
    »Hat Butenschön nach dem Krieg nie Stellung zu seinem Verhalten genommen?«
    Ich kaute zu Ende. »Minimal. Während seines Entnazifizierungsverfahrens, aber da ging es um Fragen der Mittäterschaft. Danach kaum. Es sei denn, er wurde von Historikern oder Journalisten gepiesackt. Was erst geschah, als er längst pensioniert war und nicht mehr im Licht der Öffentlichkeit stand. Von Stellung nehmen im eigentlichen Sinn kann auch nicht die Rede sein. Alles abstreiten, mit Klagen drohen, viel mehr war da nicht.«
    Er nickte unentschieden.
    »Fatty, der Mann ist ein Spießer«, versuchte ich es ein letztes Mal. »Auch wenn er sich für etwas Besseres hält.«
    Ein Räuspern war die einzige Erwiderung. Neuerdings schien Fatty sein Herz sogar für Spießer erwärmen zu können. Plötzlich flog ein verlegenes Lächeln über sein Gesicht. »Die sehen wirklich gut aus, eure Knödel.«
    Christine prustete los. Ich stand schweigend auf, holte Teller und Besteck aus der Küche und setzte unserem Gast zwei der dicksten Knödel vor. »Wurde auch Zeit, dass du wieder normal wirst.«
    »Nicht so viel Soße«, sagte er hastig.
    »Da ist nur Wasser drin. Low fat Diätwasser mit einem Hauch Bratengeschmack. Und falls du vergessen hast, was das hier ist: Rotwein. Zügelt den Appetit, heißt es.«
    »Danke.« Immerhin fing er jetzt zu spachteln an und schluckte weitere Vorbehalte zusammen mit der Soße hinunter. Vom Fleisch nahm er nur ein bisschen, den zweiten Knödel beäugte er kritisch, bevor er ihn anschnitt. Wir wechselten das Thema, sprachen über die verschiedenen Eigenschaften, die einen Kellner, auch einen studentischen, auszeichneten, und darüber, was man einem 100-Jährigen schenken könnte. Trotzdem, von gelöster Stimmung war der Abend weit entfernt, und so fühlte ich kein großes Bedauern, als Fatty bald nach seinem letzten Bissen aufbrach.
    »War wirklich lecker, Christine. Und noch mal sorry wegen der Störung.«
    Ich brachte ihn zur Tür und sah ihm nach, wie er die Stufen hinabschlurfte. Vielleicht lag es an einer der Neonlampen im Treppenhaus, dass mir blitzartig klar wurde, was mit meinem alten Freund los war. Vom grellen Licht aus dem Stockwerk unter uns wurde sein rundlicher Schatten übergroß an die Wand geworfen, schwer zog der gewölbte Bauch in die Tiefe. Kaum war der Kerl verschwunden, schloss ich die Tür und kehrte zu Christine zurück.
    »Fatty ist schwanger«, verkündete ich heiser. »Eva, meine ich natürlich. Eva ist schwanger, deshalb steht der Kerl so neben sich.«
    Christine sah mich ebenso überrascht wie ungläubig an.
    Aufstöhnend ließ ich mich auf meinen Stuhl fallen. »Schwanger, das erklärt alles. Kein Wunder, dass er plötzlich Verständnis für Gott und die Welt aufbringt. Die Hormone! Die haben ihn völlig aus der Bahn geworfen.« Ich verbarg das Gesicht in den Händen. »Der arme Kerl!«
    »Bitte?« Christine verschluckte sich fast vor Lachen. »Wieso arm? Was hat seine   …   ich meine, bist du dir sicher, Max? Hat er es dir eben erzählt, oder wie kommst du darauf?«
    »Schau ihn dir doch an! Verdammt, hör ihn dir an! Ich kenne Fatty seit zig Jahren, aber so war er noch nie drauf. Der sieht sich jetzt schon im Drogeriemarkt stehen und nach der richtigen Schnullergröße fragen! Träumt von Windeln und Durchfall und dass er keine Nacht mehr Ruhe hat.«
    »Max, Fatty ist Kindergärtner. Wenn ein Mann keine Berührungsängste mit Windeln hat, dann er.« Sie beugte sich über den Tisch. »Dafür weiß ich einen, der hat Ängste für zwei. Und deshalb graut es ihm schon mal prophylaktisch bei der Vorstellung.«
    »Eva ist schwanger«, beharrte ich.
    »Quatsch, ist sie nicht. Das wäre mir aufgefallen.«
    »Hast du nicht gehört, was Fatty sagte? Sie ist schwimmen gegangen. Der typische Schwangerensport! Oder kannst du mir erklären, warum der Junge seit Tagen keinen vernünftigen Satz mehr herausbekommt?«
    »Nein, kann ich

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