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Butenschön

Butenschön

Titel: Butenschön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbisweiler
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genießen konnte. Hätten sich dessen Türen vor drei Tagen aufgetan, wäre ich in ein Triumphgeheul ausgebrochen. Aber da hatte ich die Mutation zum Pausenclown ja auch noch nicht mitgemacht.
    »Wow«, begrüßte mich Susanne.
    »Was, wow?«
    »Um nicht zu sagen: wow wow. Schick siehst du aus. Hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
    »Oh, ich kann noch ganz anders. Letzten Fasching ging ich als Grippeerreger. Kam auch gut.«
    Es war zwar nur die Hintertür der Villa, die sie mir öffnete, aber immerhin: Ich war drin. Und eine Minute später wieder draußen. Susanne zeigte mir, wohin die Getränke, die sich draußen im Schuppen befanden, zu bringen waren. Aber nicht nur die, sondern auch Stühle, Tische, die Dekoration, Kissen und Decken. Die gesamte Hardware der Feier also; das Büffet wurde frisch geliefert.
    »Die Festplatten«, nickte ich. Keiner lachte.
    Mit der Schlepperei und dem Aufbau war ich bestimmt eine Stunde lang beschäftigt. Niedere Tätigkeiten, hohe Schweißproduktion. Und da sollte man sein Hemd knitterfrei halten? An so etwas hatte Christine natürlich nicht gedacht. Von wegen Professionalität!
    Mein einziger Helfer war ein kleiner, bebrillter Typ namens Achim, ein Kommilitone Susannes. Zupacken konnte er, quasseln auch. Als wir mit der Grobarbeit fertig waren, wusste ich alles über ihn. Seine Pläne, seine Schuhgröße, die Augenfarbe seiner Freundin und warum sie ihm weggelaufen war. Kein Problem, er besaß ja noch seinen Hund. Der hatte auch schöne Augen.
    »Ein Dackel?«, fragte ich.
    »Um Gottes willen, doch nicht so ein Spießervieh! Einen Airedalerüden, mit denen kannst du was anfangen.«
    Spießervieh war gut. Wenn ich das Tischfußball-Kurt erzählte, würde er mich ohne Werkzeug an die Wand des Englischen Jägers nageln. Und die übrigen Gäste gleich dazu.
    Drinnen war Susanne mit einer weiteren Kommilitonin beschäftigt, die Tische festlich aufzuhübschen. Was man so festlich nennt: Blümchenallerlei, Besteckparade und Origami mit gestärkten Servietten. Der Saal, in dem die Feier stattfinden sollte, war nicht klein. Aber groß genug für 80 Gäste? Und wozu diente er den Rest des Jahres?
    »Auch schick«, lobte ich. »Wenn eure Streiks genauso professionell organisiert sind …«
    »Sind sie«, schnitt mir Susanne das Wort ab. Schau an, sie konnte ja regelrecht grimmig blicken!
    Dann: Auftritt der Hausherrin. »Unsere helfenden Hände, wie schön«, schallte es von der Treppe herab. Brav nahmen wir zu viert vor der Saaltür Aufstellung. Frau Nobelpreisträger schritt uns ab wie ein General seine Truppen. Dass sie über 70 war, kaschierte sie mit jeder Bewegung: drückte den Rücken durch, reckte das Kinn, hielt sich aufrecht. Die Schulterpolster ihres Kostüms ließen sie ein wenig klobig aussehen. Blondes Haar umbrandete in zwei großen Wellen ihr wächsernes Gesicht. Dünne Lippen darin, die Augenbrauen gezupft, scharfer Blick aus engen Pupillen.
    »Wie schön!«, wiederholte Frau Butenschön und lächelte uns an. Jeden von uns. Ich hielt den Atem an. Wenn sie mich am Mittwoch vor ihrem Haus gesehen hatte, würde sie mich wiedererkennen. Trotz Maskerade, sie war schließlich eine Frau. Doch sie zeigte keine Reaktion.
    »Zu Ihrem Auftreten, meine Lieben«, sagte sie. »Mein Mann und ich freuen uns sehr, dass Sie hier sind. Wir stellen uns eine kleine, bescheidene Feier im Kreis von Familie und Freunden vor, nicht mehr und nicht weniger. Ich möchte Sie deshalb bitten, sich ganz natürlich zu verhalten. Sie sollen uns zur Hand gehen, aber nicht in Unterwürfigkeit erstarren. Haben wir uns verstanden?«
    Wir nickten. Auf eine Lüge kann man nur mit einer Lüge antworten. Denn das war Frau Butenschöns kleine Ansprache, so nett sie auch klang: verlogen. Eine bescheidene Feier? Selten so gelacht. Natürlich verhalten? Sie meinte das Gegenteil. Im Kreis der Familie? Wo kamen dann die 80 Gäste her?
    Bevor wir abtreten durften, impfte uns die Gastgeberin wichtige Details zum Ablauf des Fests ein, wischte Achim einen Krümel vom Hemd, bedachte Susannes Schuhe mit einem kritischen Blick. Hätte man die nicht etwas gründlicher polieren können? Susanne wurde rot und beeilte sich, den Makel mit Spucke und einem Lappen aus der Welt zu schaffen, sobald Frau Butenschön gegangen war.
    »He, nicht in Unterwürfigkeit erstarren«, rügte ich. »Haben wir uns verstanden?«
    Sie zog eine Grimasse.
    Dann wurde es ernst: Das Büffet kam. Und mit ihm trafen die ersten Gäste ein, überpünktliche

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