Butler Parker Buch 1 - Der Butler setzt auf Sieg!
musste Widerstand leisten, durfte sich nicht gehen lassen. Das war sie ihrer Würde, ihrer gesellschaftlichen Stellung, schuldig. Doch sie konnte und wollte sich nicht bewegen. Immerhin fehlten ihr die äußeren Gliedmaßen. Sie war reduziert auf ihren heißen Leib. In dem Moment, in dem Lady Marbely wusste, wer vor ihr stand, spürte sie einen Stich, wo ihr linker Arm gewesen war. Phantom Limb nannte man so etwas. Wie das auf Deutsch hieß, wusste sie nicht. Warum eigentlich dachte sie nicht in ihrer Muttersprache, warum dachte sie in Deutsch? Ein Rätsel, das sich nicht lösen ließ, wie alle Fragen um diese vermaledeite Erbschaft, die sie nie hätte antreten dürfen. Nie, nie, nie.
Eine blaue Rose rankte sich ihren Arm entlang. Die Stiche der Dornen schmerzten. Dann ließ die Hitze nach. Eine unheimliche Ruhe kam über sie. Sie konnte wieder atmen, spürte Arme und Beine. War das die Euphorie, die dem Sterben vorausging? Egal. Wenigstens der Teufel war verschwunden. Der Teufel, der sie um ein Haar geholt hätte.
*
In seiner Besorgnis rief der Butler wieder bei Mister Prince an und bat ihn, der Lady einen diskreten Arzt zu vermitteln. „Lady Marbely befindet sich in einem Zustand höchster Erregung“, berichtete er. „Sie ist ohne Bewusstsein. Ihr Puls rast, sie hat unvermittelt hohes Fieber bekommen.“
Keine zehn Minuten später läutete es am Haupttor zur Villa. Ein relativ junger Mann mit Arztkoffer stand draußen und wies sich mit seinem Führerschein, um den ihn der Butler bat, als Dr. Heiner Landau aus, seines Zeichens Allgemeinmediziner, mit einer Praxis in Königstein. Der Arzt untersuchte die Lady und bestätigte die Vermutung des Butlers, dass sie unter dem Einfluss einer starken Droge stand. Er tippte auf LSD oder Ecstasy oder eine Mischung beider Substanzen.
„Ich werde der Frau eine Blutprobe entnehmen und den Wein untersuchen. Sie hören von mir, sobald ich Näheres weiß. Aber jetzt holen wir die Dame langsam zurück in unsere Welt, indem wir sie mit einer Spritze beruhigen. Sie wird in einen sanften Schlaf gleiten und irgendwann in dieser Nacht hoffentlich erholt erwachen. Es wäre gut, wenn man sie in dieser Zeit nicht allein ließe.“
Der Butler bedankte sich und bat den Arzt um seine Telefonnummer. „Falls es zu Komplikationen kommt.“
*
Gegen vier Uhr früh streckte sich Lady Marbely und gähnte laut. Dann sprang sie erschrocken vom Bett auf.
„Ich bleibe in diesem Haus des Teufels keine Minute länger. Ich fahre zurück nach England und ...“
„Beruhigen Sie sich, Milady! Bitte berichten Sie, was Sie so sehr, äh ... Sie gestatten den Ausdruck ... verstört hat.“
„Ich bin nicht verstört, ich bin zerstört “, korrigierte ihn Lady Marbely, warf sich in ihren eisblauen Morgenmantel und lief aus dem Raum.
Als sie aus dem Badezimmer zurückkam, komplimentierte sie den Butler aus dem Schlafgemach. Dieser ging nur widerstrebend.
„Ich muss mit Ihnen reden, Milady“, erklärte er. „Sie hatten ein ernstes medizinisches Problem und müssen sich schonen.“
„Ich bin in einer Viertelstunde bei Ihnen. Wir treffen uns in der Küche, dem einzigen Ort in diesem Haus, an dem ich mich sicher fühle. Und bereiten Sie Tee und etwas Toast, damit ich gestärkt abreisen kann.“
Als die Lady in der Küche erschien, hatte sie ihr Haar in Ordnung gebracht und etwas Schminke aufgelegt. „Ich sehe schrecklich aus. Dabei habe ich kaum etwas getrunken“, klagte sie. „Egal. Ich reise ab. So bald wie möglich. Ich telefoniere nach Hause. Sie bringen mich nach Siegen, zum Flughafen. Dann sind Sie mich los und können wieder Ihr normales Leben führen.“
„Sie gestatten, Milady, dass ich auch meine Sicht der Dinge darlege?“
„Natürlich können Sie das. Die Zeit der Leibeigenschaft ist vorüber. Doch ich möchte Ihnen auch noch etwas sagen. Wer beginnt?“
„Ich lausche Ihrem Wort mit Interesse“, erwiderte der Butler und bestrich eine Scheibe heißen Toast mit gesalzener Butter, wartete jedoch mit dem Hineinbeißen, um Lady Marbely nicht den Eindruck von Desinteresse zu vermitteln.
„Dies ist kein gutes Haus“, begann Lady Marbely ihre Ausführungen. „Wir wissen, dass mindestens vier Personen hier zu Tode kamen. Der Richter, Jakob, sein Sohn und seine Frau. Er wollte hier nicht leben. Und man kann hier nicht leben. Ich habe den Teufel gesehen, heute Nacht. Hier, in diesem Gebäude. Und ich habe mich noch nie so, wie soll ich sagen, aufgewühlt gefühlt, wie in den
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