Butterblumenträume - Rath, C: Butterblumenträume
mein Rad fallen und renne ihm hinterher. Mein Gott, hat der ein Tempo drauf. Auf einmal bleibt er stehen, spitzt die Ohren, als würde er kurz überlegen, ob er umkehren soll, um dann umso schneller weiterzurennen. So macht das keinen Sinn. Er denkt, ich will mit ihm spielen und ihn jagen. Darum drehe ich um und frage die alte Frau nach einem Leckerli oder einem Würstchen. Sie geht ins Haus und kehrt kurze Zeit später mit ein paar Leckerlis zurück. Ihre Hand zittert und ich glaube, sie ist ganz schön aufgeregt.
»Keine Sorge«, beruhige ich sie. »Ich bringe Ihnen Jojo zurück.« Was für ein Versprechen. Natürlich ist er nirgends. Und es macht auch keinen Sinn, ihn zu rufen, er kennt meine Stimme ja gar nicht. Ich werfe einen sehnsüchtigen Blick auf das Grundstück der ›Butterblume‹ und freue mich an dem Anblick. Dort rankt sich eine Glyzinie an der Vorderfront des Hauses empor, inzwischen ist das Gras gewachsen, und überall sind kleine Gänseblümchen zu sehen. Aha. Der Gärtner scheint mit seiner Arbeit fertig zu sein und muss nicht mehr Rasen mähen. Egal, es sieht mit den vielen Blümchen sowieso viel schöner aus. Schade, dass ich die Gelegenheit neulich nicht ergriffen und einen Blick in das Innere des Hauses geworfen habe. Aber da wollte ich einfach diesen Dr. Beirer loswerden. Bei dem Gedanken an den Giftzwerg schaudert es mich. Der wird mir sicher auch noch Ärger machen.
Als die Seestraße zu Ende ist, gehe ich ein Stück am Ufer weiter und endlich sehe ich Jojo in ein paar Metern Entfernung im Wasser stehen. Tatsächlich kann ich ihn mit den Leckerlis anlocken und schnappe ihn mir. Da ich keine Leine habe und der Hund zum Glück nicht allzu groß ist, nehme ich ihn einfach auf den Arm und trage ihn, nass wie er ist, zurück. Die alte Frau ist überglücklich und will mir unbedingt etwas dafür geben, weil ich ihren Liebling zurückgebracht habe. Als ob ich etwas annehmen würde. Schließlich besteht sie darauf, mir eine Tasse Tee anzubieten, und dazu kann ich nicht Nein sagen. Wir gehen um das Haus herum und setzen uns in ihren Garten, der auch sehr schön und vor allem unglaublich gepflegt ist, wenn auch nicht so wildromantisch wie der der ›Butterblume‹. Sie verschwindet im Haus und kommt kurz darauf mit einem Tablett zurück. Darauf stehen eine weiße Teekanne mit roten Heckenrosen, zwei hauchdünne Teetassen und ein Teller mit selbstgebackenem Käsekuchen. Hm, ich liebe Käsekuchen.
»Ach, was für ein Glück«, sagt sie lächelnd. »Erstens, dass Sie meine Jojo so schnell gefunden haben, und zweitens, dass ich meinen Tee nicht alleine trinken muss.«
»Büxt Ihre Jojo denn öfter mal aus?«, frage ich sie.
»Na ja, meistens nicht. Aber seit sie das Loch in der Hecke entdeckt hat, kann es schon mal vorkommen. Und ich kann eben nicht so schnell hinterher. Wissen Sie, ich habe Jojo vor vier Jahren aus dem Tierheim geholt, als mein Mann gestorben ist, damit ich hier nicht immer so alleine bin. Aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich mehr auf sie aufpassen muss als sie auf mich.«
»Sie leben ganz alleine hier?«, frage ich sie. »Haben Sie denn da gar keine Angst?«
»Aber nein. Was soll mir schon passieren.«
Hm, da würde mir schon das eine oder andere einfallen, aber das sage ich ihr besser nicht. Sie zittert immer noch ein bisschen, als sie mir den Tee einschenkt. Ich strecke ihr die Hand hin und sage: »Übrigens, ich bin Maja Winter.«
Sie ergreift sie und erwidert: »Freut mich. Und ich bin Frieda Peeger.«
»Wie kommt es, dass Sie so gar keinen Dialekt sprechen, Frau Peeger?«, frage ich weiter.
Sie lacht.
»Meine Heimat ist Ostfriesland. Die habe ich vor vielen Jahren der Liebe wegen aufgegeben und bin hier gelandet. Hätte es schlimmer treffen können, finden Sie nicht auch? Mein Hermann und ich waren hier viele Jahre sehr glücklich. Aber nun bin ich allein. Na, wie das halt so ist im Alter.«
Sie lächelt mich an und ich denke, dass sie mit ihrem feinen Gesicht, durch das sich viele Fältchen ziehen, den blauen Augen und dem weißen Haar immer noch sehr hübsch ist. In ihrer Jugend muss sie ein echter Knaller gewesen sein, kein Wunder, dass ihr Hermann sich in sie verliebt hat. Sie erzählt mir, dass sie leider keine Kinder haben, obwohl sie sich so sehr welche gewünscht hatte. Es lag wohl an ihrem Hermann, aber ihn deshalb zu verlassen, wäre für sie niemals infrage gekommen.
»Und mit einer Adoption war das damals nicht so leicht. Bis wir es richtig
Weitere Kostenlose Bücher