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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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nicht mehr sein durfte.
     
    Sie schwieg eine Weile und sah mich an. Dann sagte sie: »Und an diesem Abend ist er dann zu euch gezogen?«
    »Ja - an diesem Abend.«
    »Mhm, und du -«
    »Was denn?«
    »Denkst du auch so?«
    Da war sie wieder - die Weggabelung - die Weiche -die Entscheidung.
    Was war zu tun?
    Die Wahrheit sagen?
    Notlügen, um eine weiße Weste zu haben und den
    Aufenthalt hier nicht zu gefährden? -
    Wenn aber Wahrheit - welche Wahrheit?! Und vor allem, wieviel davon, doch nicht etwa die ganze - wo es für mich doch schon schwer genug ist, meine Wahrheit zu tragen, und ich bin immerhin seit dreiunddreißig Jahren mit mir bekannt und konnte mich daran gewöhnen.
    Warum also nicht sagen: »Ach was, Liebes - nicht im mindesten - habe ich etwa meinen Jackettbutton nicht anstecken, auf dem draufsteht >Frauen sind die besseren Männer< oder >Wie kannst du so etwas nur fragen<
    - wäre ich jemals mit dir hierher gekommen, wenn ich auch nur im Ansatz so über Frauen denken würde wie Herr Peter Steiner - seh ich aus wie ein Schuhverkäufer?«
    Ja, das wäre eine Möglichkeit - dann würde sie wahrscheinlich lächeln und »Gott sei Dank« sagen, und ganz tief drinnen würde ich mich und sie zu verachten beginnen.
    Mich - weil ich lüge, und sie - weil sie auf meine Blendung hereinfällt. Alle Blicke, alle Berührungen, alle Vanillekrapfen würden einen Haarriß bekommen haben, und jeder weitere Atemzug würde den Odem der Fäulnis in sich tragen. Denn eines ist sicher-jeder Mensch weiß um die Wahrheit Bescheid - nur darf er es sich selbst fast nie eingestehen, daß er alles weiß -sonst würden die Verabredungen der Lügen nicht mehr tragen, auf denen unsere Welt aufgebaut ist. Das Sozialversicherungssystem würde zusammenbrechen, und ich hätte keinen Grund mehr, Steuern zu zahlen.
    »Nie wieder«, sprach es still in mir - »nie wieder, niemals - nie.«
    Lieber fahre ich mit dem nächsten Zug zurück, als diese Möglichkeit, eine Minute meines Lebens in Ehrlichkeit zu leben, von mir zu weisen.
    Habe ich es nötig zu lügen - wer bin ich denn - ich bin Martin Sterneck - dreiunddreißig Jahre alt - Architekt
    - Zwilling mit Wassermannaszendent - Indianersammler und ein hervorragender Koch. Ich habe ein ruhiges Leben mit meinem Freund Stefan Kowalsky, das ich seit mittlerweile drei Jahren in steter Gesundheit ohne auch nur den geringsten Silberstreifen von Zank und Hader teile, und bin bereit, vom Blitz getroffen zu werden und auf der Stelle tot umzufallen, denn meine letzten zehn Minuten auf Erden hätte ich fehlerfrei gelebt.
    Wozu also lügen?
    Damit jemand mit mir durch Venedig bummelt, den ich belogen habe und der eventuell so blind war, das nicht zu durchschauen - oh nein - das ist eines tapferen Sioux unwürdig - also los - und sag, was du denkst.
    »Also - die Wahrheit ist« - sagte ich - »die Wahrheit ist, daß es sicher viele Männer gibt, die eine ähnliche Meinung haben wie Peter Steiner - und ich. Ich möchte sagen dürfen, daß auch ich in gewissen Bereichen seinen Formulierungen zwar nicht immer zuzustimmen bereit bin, der Grundtenor jedoch, der hinter seinen Äußerungen steckt, meine Mißbilligung in weiten Bereichen nicht unbedingt erhalten muß - ja?«
    »Also ja!«
    »Ich würde lügen, sagte ich dezidiert zu jeder seiner Ansichten ein kategorisches >Nein<.«
    »Gut.«
    Sie blickte auf ihre Fingernägel und dachte nach. Mir war leicht taumelig, aber nichtsdestotrotz stand ich zu
    der einfachen Klarheit meiner Aussage wie ein Mann im Zentrum eines Orkans.
    »Fährst du jetzt zurück?« fragte ich und war etwas verärgert, daß meine Stimme so hoch klang - wie ein gesprungener Flaschenhals. Na ja - vielleicht hatte sie es überhört in ihrer Nachdenklichkeit -»Warum sollte ich?«
    »Was?«
    »Warum sollte ich?«
    »Naja - weil -«
    »Weil du mich nicht belügst?
    Das wäre doch töricht - nicht - und das wollen wir ja nicht mehr sein - oder?«
    »Nein.«
    Na siehst du - jetzt lächelte sie wieder und war um sage und schreibe siebenhundertdreiundneunzig Kilometer näher gerückt.
    »Ich danke dir, daß du das Risiko eingehst«, sagte sie und nickte mir zu - »das ist alles nicht so einfach -was?«
    »Nein, das ist alles nicht so einfach ...«
    »Sag einmal, wie lange sitzen wir denn schon hier?« fragte sie nach einer halben Ewigkeit, die nur von den Augen ihrer Augen in den Augen meiner Augen gesehen wurde.
    »Hm« - sagte ich und fuhr mir mit der Hand über das Gesicht, um wieder »zu mir

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