Butterbrot
Dusche.
Italienische Duschen sind diese festmontierten, suppentellergroßen Aluminiumdinger mit gewölbtem Rand und schrotkugelgroßen Löchern, die immer nur irrsinnig heißes oder irrsinnig kaltes Wasser versprühen können, und das wiederum nur mit einem Feuerwehrdruck, der den ungeübten Gast über den Badewannenrand werfen muß.
Sie schien Übung zu haben in dieser Prüfung, denn aus dem Badezimmer drang nicht nur das Tosen des Niagaras, sondern auch eine warme Stimme, die zur Begleitung des prasselnden Wassers ein Lieblingslied von mir sang. »I need more of you ... turning my rain into sun -«... di di di da da - da da di di di - di di da dum.
Ich hörte ihr zu und begann, ohne es zu wollen, mitzusingen - ganz leise versteht sich, damit ich nicht störend in ihre Meditation eindrang. Wassermeditationen sind das Heiligste, was den Menschen zur Verfügung steht, um bereit zu sein für den Wahnsinn der Welt. Rituelles Abstreifen aller Schalen und Schichten, die sich im Laufe eines Tages oder einer Nacht aufgebaut haben und verhindern, daß man Neuigkeiten wahrnehmen kann, die das Leben an einen heranträgt.
Das fließende Wasser umschmeichelt nicht nur die Beine, den Körper, den Kopf und die Haare - es greift vielmehr auf sanfte Weise in die dunklen Flecken der Aura, die entstehen, wenn wir uns ärgern müssen oder anstrengen oder aus öffentlicher Rücksichtnahme Hände schütteln sollen, die an Menschen hängen, denen wir niemals unsere Bademäntel borgen würden. Das alles hinterläßt kleine Krater in unserer Schale, die die ebnende Bewegung des fließenden Wassers wieder auszugleichen beginnt.
»Angewandter Biomagnetismus« sage ich stets denjenigen, die bei solchen Hinweisen skeptisch an magische Pygmäenrituale denken, anstatt dankbar zu akzeptieren, daß es für fast jede Unbill auf Erden eine zärtliche Erlösung geben kann, wenn man nur bereit ist, die Augen zu öffnen.
Meine Augen waren in diesem Moment jedenfalls weit offen, und meine Ohren und alles andere, was dazu diente, die Farben der Wirklichkeit zu erkennen. Ich streckte mich auf unserem Bett ein wenig in die Länge und schob beide Arme unter meinen Kopf, um eine bequemere Perspektive auf unser Reich zu haben, das wir uns in den nächsten Tagen teilen wollten.
Ich lag auf weichem, weißem Leinenbettzeug in einem alten, dunklen Doppelbett mit halbhohem Fußende. »Gott sei Dank ist es halbhoch -« dachte ich -»und nicht so ein altdeutscher Vogelkäfig, der offensichtlich nur dazu dient, jedermann in der Position zu halten, die er am Beginn der Nacht eingenommen hat.«
Leider, leider - gibt es auch altitalienische Betten, die sich in dieser Beziehung überhaupt nicht von altdeutschen Betten unterscheiden - was vielleicht ebenfalls mit zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges beigetragen hat - denn irgendwo mußten die Menschen ja ihrem Drang nachgeben, sich zu bewegen. Führt dieser Gedanke zu weit?
Vielleicht nicht - wenn ich so nachdenke, muß ich wirklich sagen, daß eine Nacht, in der ich mich bewegen kann, wie es der Impuls verlangt, alles in mir zum Schweigen bringt, was nach Töten und Schießen giert
- im Gegenteil, versöhnendes, heiteres Gedanken-und Gefühlsgut überschwemmt meine Peripherie und will sich sogar den sogenannten Feinden zur Verfügung stellen und ihnen raten: »Vergrößert eure Betten!«
Nun - wie auch immer - dieses altvenezianische Bett war ein Friedensbett und wie geschaffen für seliges Verbummeln kostbarer Lebenszeit.
Links und rechts vom Kopfende standen zwei Nachtkästchen mit zwei milchig-weißen Marmorplatten, auf denen zwei Nachttischlämpchen ruhten, die einen blütenförmig gewellten rosarot-perlmuttblaufarben schimmernden Glaslampenschirm zur Wand wendeten, um nicht ein allzu grelles, allzu direktes Licht auf den Ort der Seligkeiten zu schleudern.
Wie weise durchdacht - sagte ich zu mir und fuhr mit der Hand über eine der beiden zwei Zentimeter dicken Platten. Sie war rechteckig und an den Schmalseiten abgeschliffen, wie ein Bachkiesel nach Millionen von Jahren des Rollens im Bett seines Baches.
Man konnte völlig vergessen, daß das ein Stein war, der da lag und dem Kästchen als Abschluß, als Höhepunkt und als Zierde diente. Das ist das Material, aus dem Michelangelo seinen David gemeißelt hat, die Pieta und den Moses, dasselbe geronnene, schimmernde Licht, dieselben begütigenden Kurven, die verhindern sollen, daß man sich bei einer schnellen Kopfbewegung in der Nacht Platzwunden zuzieht,
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