Butterbrot
die unabsehbare Konsequenzen zur Folge haben.
In solchen Momenten ist dann nämlich nie ein Pflaster zur Hand - geschweige denn Alkohol, um das Bluten zu stillen - das Zimmertelefon streikt, und die Pensionsbesitzerin schläft natürlich schon lange, denn wer denkt schon daran, daß sich ein stürmischer
Mensch als Folge seiner Impulse um vier Uhr früh den Kopf blutig schlägt, all diese Unbill ist auf das leichteste zu vermeiden, wenn man dafür sorgt, daß es im Zusammenhang mit einem Doppelbett nur runde Formen, keine Kanten und niedere Fußenden gibt.
Die Wände unseres Zimmers waren weiß gestrichen. Der Boden bestand aus breitem Holzparkett aus der Dogenzeit - so dunkel und betreten lag es von Wand zu Wand.
Gegenüber von unserem Bett stand ein Sofa - ein Kanapee, besser gesagt - auf dem sie ihre Reisetasche liegen hatte. Einige Blusen hingen über den Lederrand der Tasche, ein schwarzer Gürtel, ein Band für die Haare, ein Täschchen voll weiblicher Details und seidig schimmernde Strümpfe.
Die Hälfte des Zimmers war ein Zebra - die Lamellenbalken vor unserem Fenster begannen nämlich langsam die weiterwandernde Sonne zu zensieren und nur mehr jeden zweiten Strahl zu uns durchzulassen. Mein Bett war ein Zebra, die Eingangstüre war ein Zebra, die Nachtkästchen, die Rückwand hinter meinem Bett, meine Beine, mein Bauch, überhaupt ich als Ganzes war ein Zebra.
»Na, du Zebra«, sagte sie in diese Betrachtungen hinein und tauchte in der Badezimmertüre auf -Sie war so schön wie ein blühender Rosenbusch.
Ihre nassen Haare waren aus ihrem Gesicht gekämmt und lagen glänzend um ihren Kopf und tropften ihr auf den Rücken, das dicke, weiße Handtuch, das noch zuvor auf dem runden Tisch vor dem Balkonfenster gelegen war, hatte sie um ihre Brust gewickelt und an der Seite mit einem Knoten befestigt. Ihre Haut war weich und feucht und frisch magnetisiert und ihre Lippen noch kühl von dem aufweckenden kalten Regenguß, mit dem sie ihre Dusche beendet hatte.
Sie gab mir einen kleinen Kuß auf den Mund und strich mir mit der Hand über die Wange.
»Sind wir ausgeschlafen« - fragte sie und lächelte mir in die Augen wie ein geliebtes Goldarmband, das man plötzlich unter einer Birke wiederfindet, bei der man es vor einem halben Jahr verloren hat, ohne es zu bemerken.
»Sind wir« - sagte ich und legte meine Hand auf ihren nassen Hals.
»Das ist gut« - flüsterte sie - dann stand sie wieder auf und ging zu ihrer Tasche. »Was soll ich anziehen?« fragte sie und stand vor ihren Schätzen wie ein Abenteurer vor zwei einander widersprechenden Lageplänen.
»Was ist im Angebot?« mischte ich mich ein und war froh, daß sie meine Entscheidungshilfe ohne weitere Umstände annahm.
»Ich habe das blaue und das schwarze - die weiße Bluse und vielleicht den - hilf mir!«
Sie stand vor dem Bett und hielt sich abwechselnd Pullover, Kleider und Blusen vor das Badetuch, bis die Entscheidung völlig klar war.
»Das helle, blaue Kleid und die weiche, cremefarbene Jacke, falls es am Abend kühler wird«, sagte ich unumstößlich und ließ mich in mein Kissen zurücksinken wie Salomon nach seiner letzten Entscheidung.
»Ich danke Ihnen«, sagte sie und verschwand wieder im Badezimmer.
»Es ist Zeit, sich langsam zu erheben«, sprach ich zu mir und schwang mich aus dem Bett und erschrak vor dem fremden Mann, der plötzlich neben der Türe stand.
»Oh Gott - das bin ja ich«, erkannte es sich in mir und schritt auf den hohen, drehbaren Spiegel zu, der an der Wand neben der Eingangstüre stand - gewissermaßen als letzte Sicherheitsschleuse, bevor man sich in den Strom des Lebens stürzt.
Meine Botschaft an andere Augen war rosa, weiß und braun -
Ich trug eine weiße Hose aus mittelfestem, zerknittertem Stoff - eigentlich war es eine Art Bluejeans-Stoff
- nur eben in Weiß, in leicht gebrochenem Eischalenweiß, um genau zu sein - keine Bluejeans in Weiß also
- sondern vielmehr eine »Broken-egg-jeans«. Ein weites, rosafarbenes Hemd mit richtigen alten Perlmutterknöpfen, auf die ich unendlich stolz war, hellbraune Indianermokassins und einen genauso hellbraunen Gürtel mit eingeprägtem Muster, das man nur erkennen konnte, wenn man sich ganz nahe zu mir bequemte.
Ich hatte in diesem Augenblick einen seltsamen, zufriedenen Gesichtsausdruck an mir, der mich zutiefst überraschte.
Eigentlich war ich es gewohnt, in solchen Momenten der Selbstüberprüfung einem Herren gegenüberzustehen, der einen wachen,
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