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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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daß sie schwächer sind, und sie wollen Schmerzen empfinden vor Sehnsucht - das ist ihre natürliche Programmierung -und wehe dem, der sich gegen dieses Naturgesetz stellt.
    Hast du nicht schon hundertmal erlebt - ich meine, als du jung warst - Martin - ich frage dich, hast du denn in deiner Jugend nicht auch hundertmal erlebt, wie das ist, wenn du zu einer Frau wirklich so zärtlich bist, wie du es sein könntest? - Du mußt nicht antworten
    - ich sage dir, was du erlebt hast - mitten in der prickelnden Anspannung des ersten Flirts konntest du zuschauen, wie ihnen auf einmal das Gesicht einschläft, weil die Spielregeln nicht mehr gelten, wenn der Mann auf einmal freundlich, warmherzig und gütig wird, so ist es doch gewesen - laß uns doch ehrlich sein - und das waren dann die Momente, die uns für den Rest unseres Lebens geprägt haben.
    Herr im Himmel - zeig mir doch ein junges Mädchen, dem ein schneller Schlitten nicht tausendmal lieber ist als ein empfindsames Liebesgedicht eines verliebten Klassenkameraden!
    Weißt du, was ich dir sage, ich werde es nie vergessen, wie das war, als ich siebzehn geworden bin.
    Ich war so unendlich verliebt in eine aus meiner Klasse, daß ich lieber gestorben wäre, als ohne sie in einer Reihe zu sitzen. Ich habe ihr die Schultasche getragen und ihr die Schokolade aus meinem Pausenpaket auf ihren Tisch gelegt und war selig, wenn sie gefragt hat: >Von wem ist denn diese Schokolade?< und ich dann gesagt habe - >Von mir!< - Von mir - verstehst du mich - von mir - der Schokolade über alles liebt - über alles, aber sie war eben meine Prinzessin
    - meine Königin - meine Nummer eins, und es hat ihr sogar eine Zeitlang Freude gemacht, daß ich sie nach Hause begleitete und ihr dann auch hie und da einen Kuß gegeben habe.
    Mein Gott, Martin - dieser erste Kuß mit ihr war flüssiger Rosenduft - flüssiger Rosenduft, Martin -, aber ich war ja nur ein Notnagel, wie ich bald bemerken durfte, denn eines Tages kam etwas Besseres daher -und weißt du, was das Bessere war - ich sag es dir - es war ein rotes Cabriolet mit Ledersitzen und einem Kerl drin, der zehn Jahre älter war als ich und sie immer gleich geküßt hat, wenn sie nach der Schule in seinen Wagen geklettert ist - und frag mich nicht, wie er sie geküßt hat - wie ein Tier. Er hat sie irgendwo am Hals gepackt und ihr den Mund gestopft - dann hat er müde gelächelt, den ersten Gang eingelegt und ist abgebraust. Und sie - was hat sie gemacht - sie ist wie besoffen neben ihm gelegen, weil er ihr gezeigt hat, wo es langgeht, und sich einfach genommen hat, was er wollte, so sieht es aus, mein Freund. Nicht flüssiger Rosenduft einer empfindsamen gleichaltrigen Seele ist gefragt - sondern die abgebrühte Bestialität eines Rennfahrers, der sich holt, was er braucht. Und das geht jedem so - nicht nur mir, verstehst du mich - was glaubst du, wie viele am Wochenende so wie ich in ohnmächtiger Wut hilflos zugeschaut haben, wie ihre Mädchen von den älteren Bullen verschleppt wurden. Das sind die prägenden Momente, mein lieber Freund
    - das sind die Stunden, in denen man sich schwört, auch so eine Dreckskarre zu haben eines Tages - und zwar eine noch schnellere - und dann genauso das Gemüse auszurupfen, wie die es vor unseren jungen, offenen Augen gemacht haben. Martin - ich beschwöre dich, sag, daß du weißt, daß ich recht habe. Wie oft hast du in diesen Jahren gehört, daß eine von deinen Angebeteten geflötet hat, daß sie >mit jungen Buben nichts anfangen kann<. Ich sage dir warum, und du weißt, daß ich recht habe. Weil die wirkliche Empfindsamkeit nicht in ihnen eingebaut ist, sondern nur die
    Lust, erobert zu werden. So sieht es aus, mein Freund, das wird immer so sein, ob wir es wollen oder nicht. Das sind die Jahre, in denen aus Menschen Männer geformt werden, die das Gesetz der Jagd beherrschen, und dieses Gesetz heißt: >Das Weib will Härte und Unnachgiebigkeit und sonst gar nichts.< - Du kannst ja einen Schlüssel auch nur reinstecken, wo ein Loch ist
    - nicht - wenn du weißt, was ich meine? - Ach Gott, Martin ... Ich habe gedacht, mit Lilly ist es anders -ach Gott, ach Gott.«
    Er schlug die Hände wieder vors Gesicht und weinte wie ein kleiner Bub. Ich hatte das Gefühl, daß er vielleicht seit zehn Jahren schon nicht mehr so geweint hatte, und setzte mich neben ihn - er wollte kurz tapfer sein, aber dann spürte er, daß ich ihn verstand, und dann war er endlich wieder einmal der, der er seit seiner Kindheit

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