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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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skeptisch-nachdenklichen Zug in der Mimik hat. - Ein abwartendes, wissendes Zuschauen in den Augen, die schon so viele Sonnen hatten untergehen sehen - wenn schon ein Lächeln um die Lippen, dann immer nur eines, das in der Hälfte durch langsame Ironie abgefangen wurde - erkenntnisgeladen mit der Einsicht, daß das Leben nun eben mal so ist, wie es ist.
    Aber nun - ein leichtfertig lächelnder junger Mann stand da bildfüllend vor mir und stemmte seine Hände in die Hüften, als wäre das Leben tatsächlich nur so, wie es ist.
    »Was ist mit der Vorsicht«, murmelte etwas in mir, das sich von diesem Abbild der guten Laune leicht irritiert fühlte und warnend einspringen wollte.
    »Ach, halt doch die Schnauze«, sagte ich zu mir und hatte plötzlich eine Hand vor meinen Augen.
    »Na, führen wir schon Selbstgespräche«, sagte die zärtlichste Stimme der Welt und lehnte sich an meinen Rücken.
    »Das kommt davon, wenn man mich so lange allein läßt.«
    »Wir sollten hinuntergehen.«
    »Ja - gehen wir hinunter.«
    Was gibt es Schöneres, als mit einem Menschen seines Vertrauens gemeinsam das gleiche im gleichen Augenblick zu wollen.
    Eine Treppe kann in so einem Moment hunderttausendmal mehr sein als nur die potentielle Möglichkeit, zu stolpern und sich den Fuß zu verstauchen. Sie wird zu einem roten Teppich, der zur schneeweißen Marmorhalle der Harmonie führt, in der das Leben in Gemeinschaft mit anderen zum Gegenstand der Verehrung wird.
    Ist denn nicht jedes entspannende Übereinstimmen ein Sieg über die Kobolde des falsch verstandenen Individualismus? -
    Ja, ist es denn nicht vielmehr wahrhaft gelebter Individualismus - das gewußte, überprüfte Zustimmen zu einer anderen individuellen Sichtweise der Welt?
    Die Waagschale des Lebens, in die man die Augenblicke werfen kann, die von einer Entscheidung bestimmt sind - neigt sie sich nicht am erlösendsten zu jenen Momenten, in denen ein Akkord mit einem anderen Menschen entsteht - und schmerzt nicht jedes gewogene Sandkorn der Uneinigkeit wie verdoppelter Hohn?!
    Erzwingen läßt sich gar nichts - aber bereit sein, die Freuden der Gemeinsamkeiten zu erwarten und durch dieses Erwarten ihr Eintreten erst zu ermöglichen -das - Freunde - das heißt Mensch sein. Das heißt Individuum sein - das heißt, der Tristesse der Verlorenheit im Selbst eine Absage zu erteilen, vor der sie sich verkriechen muß wie ein räudiger Kater, den man aus der warmen Herberge hinaus in das Gewitter der alltäglichen Mißverständnisse hetzt!
    Es lebe das Jetzt.
    Es lebe das Hier.
    Es lebe der Entschluß, gemeinsam aus dem Zimmer hinunterzugehen!
    Wir hielten uns an der Hand und traten auf das warme Pflaster unserer Via Garibaldi.
    »Links oder rechts?« fragte ich und folgte ihr in der nächsten Sekunde nach links hin zu den kleinen Läden, die neben dem Eingang zu unserem Schloß nebeneinander lagen und auf uns gewartet hatten.
    Diese Stadt rechnet damit, daß man ihr alles verzeiht. Die Auslagen waren vollgestopft mit Plastikgondeln, Plastikbrücken, Plastikfächern in sämtlichen Maßstäben von 1:5 bis 1:394. Beleuchtet, bepinselt, beklebt und bezuckert lag ein Querschnitt der Perversion dieses Ortes vor unseren Augen.
    Überall anders muß man sofort eine Toilette aufsuchen, wenn einem diese fluoreszierenden Markuslöwen ihre Vampirflügel in die Augen klatschen - aber hier ist man bereit, sogar zu lächeln und mit zärtlichem Tonfall zu sagen: »Mein Gott, ist das ein Kitsch.«
    In der Art, wie man das sagt, schwingt auch mit, daß auch er offenbar seine Berechtigung hat, denn sonst würde es ihn ja wohl nicht geben. Irgendeine unbestimmte Sehnsucht nach der Verzerrung des Erhabenen in Kunststoffspiegelbilder muß vorhanden sein, sonst hätte ich nicht selbst einen dieser Fächer seit zehn Jahren in einer Hemdenschublade bei mir daheim herumliegen.
    Vielleicht ist es auch nur eine stille Aufforderung, sich für nichts zu schämen, was in unseren Herzen auf und nieder brodelt und nicht immer den Höhenflug echter Carrara-Marmor-Nachttischplatten durchhält, sondern manchmal den Absturz in die billige Plastikimitation geradezu braucht.
    Die Nachtseiten des eigenen Wesens nicht nur anzuerkennen, sondern genauso zu lieben wie den Höchststand der Kultursonne in unserem Streben, ist eine unumgängliche Notwendigkeit, wenn der Baum unseres Daseins Blüten der Vielfalt tragen soll -dachte ich mir, als wir uns von Fenster zu Fenster treiben ließen und an nichts etwas Schlechtes

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