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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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möchte nicht die Basis sein, die aus verzweifelten Frauen besteht, die man im Supermarkt an ihren hohen, eingesperrten Stimmen erkennt, wenn sie nach einigen Jahren ewigen Glücks die Klopapiermarke zu wechseln beginnen, damit sich wenigstens irgend etwas ändert. Dieselben Frauen, die doch einmal so voller Lust gebrüllt haben in der ersten Nacht mit dem Mann, über dessen Speckansatz sie jetzt zu ihren Freundinnen sagen: >Er ist eben ein bißchen bequem. < Und ich möchte nicht die Basis des Eises sein, das aus steinäugigen Männern besteht, die am Sonntag unter ihre Autos kriechen, um dort vielleicht den Grund zu finden, warum der Karren im Dreck steckt.
    Oh nein - das wollte ich nicht sein und vor allem nicht werden, darum ist es auseinandergeplatzt wie eine Handgranate, die sich versehentlich selbst abgezogen hat.
    Weißt du« - sagte ich - »was mir noch manchmal so weh tut, ist der Schmerz, es nicht geschafft zu haben. Ich meine nicht den Schmerz, die Formen der Perversion nicht doch geschafft zu haben - nein - ich meine den Schmerz, der sich einstellt, wenn man erkennt, daß einen die Formen, die Impulse erdrückt haben, die am Anfang standen und die lebendig und gut waren.«
    »Ja, ich weiß« - sagte sie und sah mich an - »ich weiß.«
    »Ja, du weißt, und ich weiß, daß du weißt, und ich weiß auch, daß du weißt, daß ich weiß, daß du weißt
    - sonst könnte ich dir das alles überhaupt nicht erzählen. Sonst wüßte ich nicht, daß ja eigentlich schon alles gesagt ist zwischen uns in der ersten Minute am >Little Big Horn< - oder?«
    »Tja«, lachte sie und fuhr mir durch die Haare, und für diesen Moment hätte ich alle Tramezzinis der Welt gegeben, wenn man mich gezwungen hätte zu wählen.
    Glück ist, wenn man nicht gezwungen wird zu wählen, sondern wenn ein gütiger Schutzengel sagt: »Wozu denn >entweder - oder< - nimm beides, und genieß es mit Verstand.«
    Ich war Gott sei Dank bei Verstand und sagte eine Zeitlang kein Wort mehr, schloß die Augen und ließ ihre Hand auf meinem Kopf liegen.
    Obwohl eine zärtliche Wärme von ihr ausging, kühlte ihre Hand meine Stirn und meinen Hals und machte meinen Atem wieder ruhiger und tief.
    Das Treiben der Stadt summte an meinen Ohren und verwandelte sich in ein beruhigendes Plappern unendlich vieler Schicksalsfäden, die zu einem großen, sternförmigen Muster verwebt wurden, in dessen Mittelpunkt das Bild einer einzigen gemeinsamen Sehnsucht stand.
    Ich legte meine Hände über ihre Finger und küßte sie ohne Absicht, ohne Gedanken und ohne Anfang und Ziel.
    Nach einer Ewigkeit öffnete ich meine Augen und sah sie an - wieder war der Grundakkord ihrer Musik etwas deutlicher geworden und die Farben ihres Bildes leuchtender und tiefer. Ich sah einen Schritt weiter in sie hinein, und ohne zu drängen und ohne Hast öffnete sie die Flügeltüren ihrer Fluchten und ließ mich einen Raum weiter in ihre Bereiche.
    »Dann werden wir jetzt diesen Ort verlassen«, sagte sie schließlich leise, und ihre Hand nahm Abschied von meinen Lippen wie ein Rosenblatt, das leise zu Boden sinkt.
    »Ja, das werden wir tun«, sagte ich und winkte einen Ober an unseren Tisch. »Ich darf dich einladen?«
    »Vielen Dank.« Sie lächelte und trank langsam den letzten Rest Mineralwasser aus, der noch in einer dieser vielen Flaschen war, die eine durchsichtige »Golden Gate Bridge« zwischen uns bildeten.
    Insgesamt waren es acht Tramezzinis gewesen und sieben Aqua Minerale con lemone, aber das letzte Geschenk beim Genuß eines Tramezzino besteht darin, daß man das Gefühl hat, überhaupt nichts gegessen zu haben - im Gegenteil - fast verläßt man die Stätte der Einweihung leichter und unbeschwerter, als man sie betreten hat.
    Ein weiterer Hinweis darauf, daß wahres Genießen des Lebens die »Kunst des Leichtbleibens« genannt werden sollte.
     

Wir traten auf die Straße, blickten im Weitergehen auf unseren Tisch in der grünen Bar - die ich deshalb die »grüne Bar« nenne, weil die Hauptfarbe ihrer Einrichtungsgegenstände nicht blau ist - und winkten ihm einen kleinen Gruß zu, den er sich wirklich verdient hatte -
    Irgendwie sah er anders aus als vor unserem Besuch und vor unserem Zusammensein zu dritt. Er war Teil und Träger eines Teils der Geschichte von Martin und Maria geworden und ließ sich das auch in ruhigem Selbstbewußtsein anmerken.
    Er hatte eine Unterstützung angeboten für einen Moment, der in dieser Welt und in diesem Universum niemals

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