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Butterbrot

Butterbrot

Titel: Butterbrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Barylli
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Standpunktes, den ich zu dieser Sekunde in diesem meinem Leben hatte und der mir Heimat meiner Gefühle war. Also wozu die ängstlichen Gedanken - hier war die Chance, die Prägung der Angst zu überwinden, die immer dann in mir aufsteigt, wenn ich ganz so bin, wie ich bin, weil ich mir dann nämlich nicht sicher sein kann, für das, was ich bin, geliebt zu werden. Aber will ich denn für eine Maske geliebt werden, die ich sicherheitshalber vor mir hertrage? Erstens wählt man ja ohnehin immer die falsche Schminke und gibt sich als Cowboy bei Frauen, die Sehnsucht nach peitschenknallender Dominanz in sich tragen - oder als
    Windelverkäufer bei einem Weibe, das nach Zorro giert - wie auch immer - jede Täuschung ist Tand -daher ist Ent-Täuschung das kostbarste Wort in unserer Sprache, die ein herrliches Vehikel sein kann, um falsch verstanden zu werden.
    Vorwärts also in aller Vorsicht - nicht gezaudert und taktiert - der Blitz soll mich beim Scheißen treffen, wenn ich zurückweiche vor der Strahlkraft der Wahrheit meiner Empfindungen!
    »Ja« - sagte ich - »mit dir ist das alles wirklich anders.«
    »Hm ... schön ...« - sagte sie - küßte ihre Handfläche und blies mir den Kuß auf die Lippen.
    »Mit dir auch -«
    Oh Gott, diese vereinfachenden Aussagen, die in ihrer Schlichtheit so viel Raum für Mißverständnisse in sich tragen.
    Wie viele hunderttausend verliebte Menschen sagen in dieser Sekunde zueinander, daß alles ganz anders sei als das letzte Mal, als sie in der Sackgasse landeten. Wie viele Schwüre und Beteuerungen des Prinzen-und Prinzessinnentums verlassen eben jetzt völlig unüberlegt die Münder ihrer Urheber und bauen Hoffnungen auf, die niemals eingelöst werden können, weil die Basis fehlt, weil kein Realitätsbezug da ist, weil einfach alles hinten und vorne schiefgehen muß, solange wir versuchen, so zu sein, wie uns Hollywood einredet, daß wir sein sollen -
    Aber was soll ich machen - es ist einfach wirklich ganz anders mit ihr, weil ich als Realist Vergleiche anstellen kann und weil mein Computer nie wieder Fehlprogramme zum Abschuß von Raketen anweisen wird, wenn sich nur eine einsame Hupfdohle in mein Frühwarnradar verirrt hat.
    Das ist eben der Zauber des Älterwerdens, man hat endlich die Chance, eine Täuschung zu erkennen, und ist ihr nicht, so wie in der Jugend, auf Gedeih und Verderb ausgeliefert - und - das wichtigste ist, man kann es auch manchmal wissend genießen, eine Täuschung zu erleben - weil man es auch hie und da gerne glänzen läßt, wo kein Gold im Spiel ist.
    Nur Unwissende denken dabei an Zynismus - und pervertieren die Chance zur Erkenntnis der Realität -denn jeder wirkliche Realist weiß, daß alle Täuschungen der Welt doch nur dann wirksam sein können, wenn es das Wissen gibt, daß etwas vorhanden ist, das ertäuscht werden kann.
    Und dieses Etwas ist das wirkliche Edelmetall, das ich langsam aber sicher in dieser Frau zu entdecken glaubte, die mit mir in meiner Lieblingsbar bei einem kleinen Imbiß saß. Es ist Gold, wovon ich rede - das wirkliche Gold, das es gibt in den Bergen der Menschen, wenn die Lawinen ihrer Erfahrungen die Überhänge abgerieben haben, unter denen sich ihre glänzenden Adern verbergen. Dieses strahlende Etwas, das das einzige ist, wonach es sich zu suchen lohnt. »Na - gefunden?«
    »Bitte - wie?!«
    »Du hast so einen grübelnden Gesichtsausdruck, daß ich mir denke: >Er sucht etwas< - kann ja sein, daß du es schon gefunden hast.«
    »Ach so ... ha ... nein, ich ... ich stecke erst meinen Claim ab.«
    »Aha.«
    »Ja. - Ich habe manchmal das Gefühl, ganz dicht davor zu stehen und nur mehr die Hand ausstrecken zu müssen, um es zu erreichen, aber irgend etwas hält mich am Genick fest und läßt mich zögern. Es ist dasselbe Gefühl, wie wenn man den Namen eines Schauspielers nennen möchte, den man in >Ben Hur< gesehen hat, damit jeder weiß, wen man meint, aber der Name liegt zu weit links hinten, und man kann ihn nicht sehen, obwohl man ganz sicher weiß, daß er da ist. Diese angespannte Ungeduld ist es, die ich manchmal habe, wenn ich dich ansehe - und ich weiß nicht, warum das so ist. Ich weiß nicht warum - und vor allem - ich weiß nicht einmal, was das ist, vor dem ich stehe - Hilfe!«
    Ich sah zu ihr hinüber wie die Schwerverbrecher, die für ewige Zeiten nach Australien verschifft worden waren, auf die kleiner werdenden Kreideklippen von Dover geblickt hatten und wußten: »Das war's -«
    Ich war hilflos und

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