Byrne & Balzano 1: Crucifix
übrigens, was für einen Wagen fahren Sie?« Natürlich kannte John Shepherd die Antwort bereits.
»Ich habe mehrere Autos, aber meistens fahre ich einen Lexus.«
»Eine Limousine, einen Geländewagen oder einen Sportwagen?«, fragte Shepherd.
Patrick lächelte. »Wie ich sehe, kennen Sie sich mit Autos der Luxusklasse aus.«
Shepherd lächelte ebenfalls – wenn auch verhalten. »Ich kann auch eine Rolex von einer TAG Heuer unterscheiden«, sagte er. »Obwohl ich mir beide Uhren nicht leisten kann.«
»Ich fahre einen Lexus-Geländewagen, Baujahr 2004.«
»Einen Geländewagen der Luxusklasse, richtig?«
Patrick nickte.
»Verstehe«, sagte Shepherd. »Wo steht dieser Wagen jetzt?«
Patrick zögerte. »Auf dem Parkplatz hinter dem Roundhouse. Warum?«
»Reine Neugier. Es ist ein teures Auto. Ich wollte mich nur vergewissern, dass es sicher steht.«
»Nett von Ihnen.«
»Und die anderen Fahrzeuge?«
»Ein Alfa Romeo, Baujahr 1969, und ein Chevy Venture.«
»Ist das ein Van?«
»Ja.«
Shepherd machte sich Notizen.
»Nach der Zeiterfassung im St. Joseph’s haben Sie am Donnerstagmorgen erst um neun Uhr Ihren Dienst angetreten«, sagte Shepherd. »Ist das richtig?«
Patrick dachte nach. »Ich glaube, ja.«
»Ihr Dienst begann aber um acht. Warum sind Sie zu spät gekommen?«
»Ehrlich gesagt, musste ich den Lexus zur Inspektion bringen.«
»In welche Werkstatt?«
Es klopfte leise an die Tür, ehe sie aufgerissen wurde.
Ike Buchanan stand neben einem großen, imposanten Mann in einem eleganten Brioni-Nadelstreifenanzug. Der Mann hatte perfekt gestyltes graues Haar und eine Cancun-Bräune. Seine Aktentasche hatte mehr gekostet, als ein Detective in einem Monat verdiente.
Abraham Gold hatte Patricks Vater, Martin Farrell, in einem brisanten Kunstfehler-Prozess Ende der Neunziger vertreten. Abraham Gold war so teuer wie kein anderer. Aber auch so gut wie kein anderer. Soweit Jessica wusste, hatte Gold noch nie einen Prozess verloren.
»Meine Herren«, sagte er in seinem besten Gerichtssaal-Bariton. »Dieses Gespräch ist zu Ende.«
»Was meinen Sie?«, fragte Buchanan.
Aller Augen waren auf sie gerichtet. Jessica suchte nicht nur nach der richtigen Antwort, sondern auch nach der richtigen Formulierung. Sie wusste wirklich nicht, was sie sagen sollte. Seitdem Patrick vor über einer Stunde das Roundhouse betreten hatte, wusste sie, dass dieser Moment kommen würde. Und jetzt, als es so weit war, wusste sie nicht, wie sie damit umgehen sollte. Die Vorstellung, dass jemand, den sie kannte, für solche Gräueltaten verantwortlich war, war schlimm genug. Der Gedanke, dass es jemand war, den sie sogar sehr gut kannte – oder zumindest sehr gut zu kennen glaubte –, schien ihr Gehirn lahm zu legen.
Was würde es über ihre Menschenkenntnis aussagen, wenn das Undenkbare der Wahrheit entsprach und Patrick Farrell tatsächlich der Rosenkranz-Killer war?
»Ich halte es für möglich.« Jetzt war es heraus.
Natürlich hatten sie Patrick Farrell überprüft. Abgesehen von einem unbedeutenden Rauschgiftdelikt in seiner Collegezeit und seiner Neigung, die Geschwindigkeitsbegrenzung zu übertreten, war seine Akte sauber.
Da Patrick nun ein Anwalt zur Seite stand, war höchste Eile geboten. Sie mussten den Fall so schnell wie möglich lösen. Agnes Pinsky hatte ausgesagt, dass er der Mann gewesen sein könnte , den sie vor Wilhelm Kreuz’ Tür gesehen hatte. Ein Mann, der bei einem Schuhmacher auf der anderen Straßenseite arbeitete, glaubte , sich an einen cremefarbenen Luxus-Geländewagen zu erinnern, der vor zwei Tagen vor dem Haus geparkt hatte. Sicher war er sich nicht.
Auf jeden Fall wurde Patrick Farrell ab sofort rund um die Uhr beschattet.
65.
Freitag, 20.00 Uhr
E s waren heftige Schmerzen, die in Wellen den Nacken hinauf- und hinunterkrochen. Byrne hielt an einer Tankstelle in Nord-Philadelphia und suchte die Toilette auf. Er drückte eine Vicodin aus der Packung und schluckte sie mit Wasser aus dem Hahn.
Es war Karfreitag. Der Tag der Kreuzigung.
Byrne wusste, dass der Fall auf die eine oder andere Weise seinem Ende entgegenging – vermutlich heute Nacht. Und er wusste auch, dass dann ein dunkles, gewalttätiges Ungeheuer, das seit fünfzehn Jahren in ihm schlummerte, hervorbrechen würde.
Vorher wollte er alles in Ordnung bringen.
Er strebte nach einer gewissen Ausgewogenheit.
Sein erstes Ziel hatte er erreicht.
Die Pkws parkten auf beiden
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