Byrne & Balzano 1: Crucifix
war Lauren aggressiv und wütend. Eine Kämpferin. Der Täter hatte definitiv das falsche Mädchen ausgewählt.
Zum ersten Mal im Leben war Jessica froh, dass eine Jugendliche Drogen genommen hatte.
Es gab noch weitere unbeantwortete Fragen. Warum standen auf Parkhursts Liste zehn Mädchen , wenn der Killer den fünf schmerzhaften Mysterien des Rosenkranzes, Christi Leidensweg, nacheiferte? Es musste zwischen fünf der zehn Mädchen neben dem Selbstmordversuch ein weiteres verbindendes Element geben. Würde er wirklich bei fünf aufhören?
Vier der Mädchen hatten eine Überdosis Tabletten geschluckt. Drei hatten sich die Pulsadern aufgeschnitten. Zwei hatten sich in eine Garage eingeschlossen und versucht, sich durch eine Kohlenmonoxidvergiftung das Leben zu nehmen. Ein Mädchen war mit dem Wagen über eine Leitplanke gefahren und einen Abhang hinuntergestürzt. Der Airbag rettete ihr das Leben.
Es gab keine Selbstmordmethode, die bei fünf Mädchen übereinstimmte.
Die Schulen? Vier besuchten die Regina, vier die Nazarene, eine die Marie Goretti und eine die Neumann.
Das Alter: Vier Mädchen waren sechzehn, zwei siebzehn, drei fünfzehn und eine achtzehn.
Die Wohngegend?
Nein.
Vereine oder außerschulische Aktivitäten?
Nein.
Cliquenzugehörigkeit?
Kaum.
Was war es?
Bitte, und es wird dir gegeben , dachte Jessica.
Plötzlich ging ihr ein Licht auf.
Es war das Krankenhaus.
Das St. Joseph’s war das verbindende Element.
»Sieh mal«, sagte Jessica.
Am Tag ihres Selbstmordversuchs waren Nicole Taylor, Tessa Wells, Bethany Price, Kristi Hamilton und Lauren Semanski im St. Joseph’s Hospital behandelt worden.
Die anderen fünf Mädchen waren in unterschiedliche Krankenhäuser eingeliefert worden.
»Mein Gott«, rief Byrne. »Das ist es.«
Das war der Durchbruch, auf den sie gehofft hatten.
Es war aber nicht die Tatsache, dass all diese Mädchen in demselben Krankenhaus behandelt worden waren, die Jessica so sehr in Erregung versetzte. Es war auch nicht die Tatsache, dass sie alle versucht hatten, sich das Leben zu nehmen.
Es gab eine andere Erkenntnis, die ihr für einen Moment den Atem raubte.
Alle Mädchen waren von demselben Arzt behandelt worden: Dr. Patrick Farrell.
64.
Freitag, 18.15 Uhr
P atrick saß im Verhörraum Nummer 5. Eric Chavez und John Shepherd führten die Vernehmung; Byrne und Jessica beobachteten. Alles wurde auf Band aufgezeichnet.
Patrick war mitgeteilt worden, dass er lediglich als wichtiger Zeuge in dem Fall vernommen wurde.
Er hatte einen frischen Kratzer auf der rechten Hand.
Sobald es möglich war, würden sie unter Lauren Semanskis Fingernägeln eine DNA-Probe entnehmen. Unglücklicherweise war die Chance auf eine brauchbare Probe jedoch gering. Lauren hatte fast keine Fingernägel.
Sie hatten Patricks Arbeitszeiten der letzten Woche überprüft. Zu Jessicas großem Kummer hatten sie erfahren, dass es keinen Tag gab, an dem Patrick die Opfer nicht hätte entführen und ihre Leichen an den Fundorten hätte ablegen können.
Dieser Gedanke machte Jessica krank. Glaubte sie wirklich, dass Patrick etwas mit den Morden zu tun hatte? Mit jeder Minute, die verstrich, schien es ihr wahrscheinlicher zu sein. Augenblicke später hielt sie die Vorstellung wieder für absurd. Jessica wusste nicht mehr, was sie glauben sollte.
Nick Palladino und Tony Park waren mit einem Foto von Patrick unterwegs zu dem Haus, in dem Wilhelm Kreuz gelebt hatte. Es war unwahrscheinlich, dass die alte Agnes Pinsky sich an den Arzt erinnerte. Selbst wenn sie ihn aus einer Fotoserie herauspickte, würde ein vom Gericht bestellter Verteidiger ihre Glaubwürdigkeit in der Luft zerreißen. Trotzdem würden Nick und Tony alle Anwohner und Geschäftsleute auf der Straße befragen.
»Ich fürchte, ich war nicht immer über die neusten Nachrichten im Bilde«, sagte Patrick.
»Das kann ich gut verstehen«, erwiderte Shepherd. Er saß auf der Kante des zerbeulten Metalltisches. Eric Chavez lehnte an der Tür. »Ich bin sicher, dass Sie bei Ihrer Arbeit oft genug mit den Schattenseiten des Lebens konfrontiert werden.«
»Wir haben auch Erfolge«, sagte Patrick.
»Sie behaupten also, nicht gewusst zu haben, dass eines dieser Mädchen jemals von Ihnen behandelt wurde?«
»Ein Arzt in einer Notaufnahme, vor allem in der Innenstadt, muss ständig Prioritäten setzen, Detective. Der Patient, den es am schlimmsten erwischt hat, wird zuerst behandelt. Nachdem der Patient
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