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Byrne & Balzano 1: Crucifix

Byrne & Balzano 1: Crucifix

Titel: Byrne & Balzano 1: Crucifix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Montanari
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ließ sich auf den Hocker fallen; Onkel Vittorio baute sich vor ihr auf.
    »Blöde Schlampe«, zischte sie durch den Mundschutz.
    »Entspann dich«, sagte Vittorio. Er zog den Mundschutz heraus und wischte ihr das Gesicht ab. Angela nahm eine der Wasserflaschen aus dem Eiseimer, öffnete sie und hielt sie Jessica an den Mund.
    »Du lässt die rechte Hand fallen, sobald du einen Haken schlägst«, sagte Vittorio. »Wie oft haben wir darüber gesprochen? Halte deine rechte Hand oben .« Vittorio schlug auf Jessicas rechten Boxhandschuh.
    Jessica nickte, spülte sich den Mund aus und spuckte in den Eimer.
    Der Ringrichter kündigte durch Zuruf die nächste Runde an.
    Das waren aber verdammt kurze sechzig Sekunden , dachte Jessica.
    Sie stand auf, als Onkel Vittorio gemächlich den Ring verließ – wenn man neunundsiebzig ist, verlässt man alles gemächlich – und den Hocker aus der Ecke zog. Die Glocke erklang, und die beiden Boxerinnen bewegten sich aufeinander zu.
    Die erste Minute der zweiten Runde verlief ähnlich wie die erste Runde. Ungefähr in der Mitte änderte sich jedoch alles. Sparkle drängte Jessica auf die Seile zu. Jessica ergriff die Gelegenheit, um Sparkle einen Haken zu verpassen und ließ natürlich – wie konnte es anders sein – die rechte Hand fallen. Sparkle konterte mit einem linken Haken, der irgendwo in der Bronx begann, sich über den Broadway schlängelte, die Brücke überquerte und auf der I-95 landete.
    Der Schlag traf Jessica genau am Kinn, nahm ihr den Atem und beförderte sie tief in die Seile. Die Menge verstummte. Jessica hatte immer gewusst, dass sie eines Tages ihren Meister finden würde, doch ehe Sparkle Munoz ihr den K.-o.-Schlag verpassen konnte, schrie sie: »Jetzt werden wir sehen, wer hier der Champ ist!«
    Als Sparkle auf sie zukam, um ihr den unausweichlichen K.-o.-Schlag zu verpassen, liefen vor Jessicas geistigem Auge eine Reihe verschwommener Bilder ab.
    Wie damals, als ein Säufer während ihrer zweiten Woche in dem Job bei einem Einsatz in der Fitzwater Street in ihren Halfter griff.
    Oder als Lisa Cefferati sie auf dem Schulhof von St. Paul’s als Hure beschimpfte.
    Oder an dem Tag, als sie früher nach Hause kam und Michelle Browns hundepissegelbe, scheißbillige, riesige hässliche Schuhe unten an der Treppe stehen sah, genau neben den Stiefeln ihres Ehemanns.
    In diesem Augenblick kam die Wut woanders her, von einem Ort, wo ein junges Mädchen namens Tessa Wells lebte und lachte und liebte. Ein Ort, an dem ein Vater nun trauerte und Stille eingekehrt war. Das war das Bild, das sie brauchte.
    Jessica kurbelte jedes einzelne ihrer einhundertdreißig Pfund zur Höchstform an, krallte ihre Zehen in den Stoff und verpasste Sparkle einen rechten Cross, der auf der Kinnspitze landete und Sparkles Kopf den Bruchteil einer Sekunde wie einen gut geölten Türknauf herumdrehte. Ein dumpfer lauter Schlag hallte durchs Blue Horizon und vermischte sich mit allen anderen wuchtigen Schlägen, die in diesem Gebäude je ausgeteilt worden waren. Jessica sah, dass Sparkle die Augen verdrehte, ehe sie zusammenbrach und auf den Ringboden krachte.
    »Steh auf.« , rief Jessica. »Steh auf, verdammt!«
    Der Ringrichter schickte Jessica in eine neutrale Ecke, ehe er zu der auf dem Rücken liegenden Sparkle Munoz zurückkehrte und sie anzählte. Aber das hätte er sich sparen können. Sparkle rollte wie eine an Land gespülte Seekuh auf die Seite. Dieser Kampf war definitiv zu Ende.
    Die Menge im Blue Horizon sprang auf und brüllte so laut, dass die Dachsparren bebten.
    Jessica warf beide Arme in die Luft und begann ihren Siegestanz, als Angela in den Ring stürmte und sie umarmte.
    Jessica sah sich um. Sie entdeckte Vincent in der ersten Reihe. Als sie noch zusammen gewesen waren, hatte er jeden ihrer Kämpfe besucht, aber Jessica war sich nicht sicher gewesen, ob er heute kommen würde.
    Ein paar Sekunden später betrat Jessicas Vater mit Sophie auf dem Arm den Ring. Sophie hatte ihre Mutter natürlich noch nie im Ring boxen sehen, aber ihr schien das Scheinwerferlicht nach einem Sieg genauso gut wie ihrer Mutter zu gefallen. Heute Abend trug Sophie einen himbeerfarbenen Vlies-Anzug und ein kleines Nike-Stirnband und sah darin selbst wie eine Boxerin der absolut kleinsten Gewichtsklasse aus. Jessica lächelte und winkte ihrem Vater und ihrer Tochter zu. Es ging ihr gut. Sehr gut. Das Adrenalin strömte durch ihre Adern, und sie fühlte sich, als könnte sie die Welt aus den Angeln

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