Byrne & Balzano 1: Crucifix
heben.
Jessica drückte ihre Cousine fest an sich, als die Menge immer lauter brüllte und sang: »Jessie, Jessie, Jessie, Jessie, Jessie …«
Jessica beugte sich hinunter und schrie Angela ins Ohr: »Angie?«
»Ja?«
»Tu mir einen Gefallen.«
»Welchen?«
»Sorg dafür, dass ich nie wieder gegen diesen blöden Gorilla kämpfen muss.«
Vierzig Minuten später unterschrieb Jessica auf dem Bürgersteig vor dem Blue Horizon Autogramme für ein paar zwölfjährige Mädchen, in deren Augen sich Bewunderung und Verehrung spiegelten. Sie sagte ihre üblichen Sätze: Kümmert euch um die Schule und lasst die Finger von den Drogen , und sie versprachen, sich daran zu halten.
Jessica wollte gerade zu ihrem Wagen laufen, als sie spürte, dass jemand neben ihr stand.
»Erinnere mich daran, dass ich dir niemals einen Grund liefere, böse auf mich zu sein«, sagte eine tiefe Stimme hinter ihr.
Jessicas Haar war verschwitzt und zerzaust. Sie roch wie nach einem Zehntausendmeterlauf und spürte, dass die rechte Gesichtshälfte zu der Größe, Form und Farbe einer reifen Aubergine anschwoll.
Sie drehte sich um und sah einen der schönsten Männer, den sie je kennen gelernt hatte.
Es war Patrick Farrell.
Und er hielt eine Rose in der Hand.
Während Peter Sophie mit zu sich nach Hause nahm, saßen Jessica und Patrick in einer dunklen Nische im Quit Man Pub, im unteren Stockwerk des Finnigan’s Wake an der Ecke Dritte und Spring Garden Street, dem beliebten Irish Pub und einem Stammlokal der Polizei.
Es war jedoch nicht dunkel genug für Jessica, obwohl sie sich auf der Toilette kurz frisiert und geschminkt hatte.
Sie nippte von ihrem doppelten Scotch.
»Das war eines der erstaunlichsten Dinge, die ich je im Leben gesehen habe«, sagte Patrick.
Er trug einen anthrazitfarbenen Rollkragenpullover aus Kaschmirwolle und eine schwarze Bundfaltenhose. Dieser Mann roch großartig, und das gehörte zu den vielen Dingen, die Jessica zurück in die Zeit versetzte, als sie mit Patrick geflirtet hatte. Patrick Farrell roch immer großartig. Und diese Augen . Jessica fragte sich, wie viele Frauen sich Hals über Kopf in diese dunkelblauen Augen verliebt hatten.
»Danke«, sagte sie nur, anstatt ihm eine geistreiche oder halbwegs intelligente Antwort zu geben. Sie drückte das Glas auf ihre Wange. Die Schwellung ging zurück. Gott sei Dank. Es hätte sie nicht gerade begeistert, bei einem Treffen mit Patrick Farrell wie ein Monster auszusehen.
»Ich weiß nicht, wie du das machst.«
Jessica zuckte die Schultern. »Nun, am schwierigsten ist es zu lernen, einen Schlag mit offenen Augen zu kassieren.«
»Tut es nicht weh?«
»Natürlich tut es weh«, sagte Jessica. »Weißt du, was für ein Gefühl das ist?«
»Erzähl.«
»Es fühlt sich an, als würde man einen Schlag ins Gesicht bekommen.«
Patrick lachte. »Touché.«
»Andererseits kann ich mir kein besseres Gefühl vorstellen, als meine Gegnerin auf die Bretter zu schicken. Mein Gott, wie sehr ich das liebe.«
»Weißt du, wann du den entscheidenden Schlag austeilst?«
»Den K.-o.-Schlag?«
»Ja.«
»Klar. Es ist so, als wenn du einen Baseball mit dem dicken Teil des Schlägers triffst. Erinnerst du dich? Keine Vibration, keine Anstrengung. Aber man spürt, dass man voll getroffen hat.«
Patrick schüttelte lächelnd den Kopf, als wäre er der Meinung, dass Jessica hundert Mal mutiger sei als er. Aber das stimmte nicht, und das wusste sie. Patrick war Notarzt, und sie konnte sich keinen härteren Job vorstellen.
Und noch mutiger war es, dachte Jessica, dass Patrick sich vor vielen Jahren seinem Vater widersetzt hatte, einem der renommiertesten Herzchirurgen Philadelphias. Martin Farrell hatte von Patrick erwartet, eine Karriere als Herzchirurg anzustreben. Patrick wuchs in Bryn Mawr auf studierte in Harvard Medizin und absolvierte seine Assistenzzeit im Johns Hopkins; somit stand einer großartigen Karriere nichts mehr im Weg.
Doch als seine jüngere Schwester Dana bei einer Schießerei in der Stadtmitte von einer Kugel aus einem fahrenden Wagen getötet wurde – ein unschuldiges Mädchen, das zur falschen Zeit am falschen Ort war –, beschloss Patrick, als Notarzt in einer städtischen Klinik zu arbeiten. Martin Farrell hätte seinen Sohn beinahe enterbt.
Insofern hatten Jessica und Patrick ähnliche Vorgeschichten. Beide hatten infolge einer Tragödie einen anderen Beruf gewählt, als ursprünglich geplant. Jessica hätte Patrick gern gefragt, wie
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