Byrne & Balzano 1: Crucifix
Wohnzimmerfenster, den schlechten Ausdruck eines Farbkopierers. Es war die Vergrößerung des Schnappschusses eines etwa fünfzehnjährigen, lächelnden schwarzen Mädchens. In ihrem geflochtenen Haar steckten Perlen und eine rosafarbene Schleife. Sie trug eine Zahnspange und schien trotz der Metallklammer zu lächeln.
Die Frau bat sie nicht ins Haus, aber zum Glück standen sie auf der überdachten Veranda und waren vor dem Regen geschützt.
»Mrs Pettigrew, das ist meine Partnerin, Detective Balzano.«
Die Frau nickte Jessica zu und krallte ihre Finger unter dem Kinn in den Stoff des Hausmantels.
»Haben Sie …«, begann Mrs Pettigrew.
»Ja«, erwiderte Byrne. »Wir haben ihn geschnappt, Ma’am. Er sitzt in Haft.«
Althea Pettigrew schlug die Hand vor den Mund. Tränen traten ihr in die Augen. Jessica sah, dass die Frau einen Ehering trug, aber der Stein fehlte.
»Was … was passiert jetzt?«, fragte sie, wobei sie vor Aufregung zitterte. Ihr war anzusehen, dass sie sich vor diesem Tag gefürchtet und ihn zugleich herbeigesehnt hatte.
»Das kommt auf den Bezirksstaatsanwalt und den Anwalt des Mannes an«, erwiderte Byrne. »Er wird dem Haftrichter vorgeführt, und dann wird ihm der Prozess gemacht.«
»Glauben Sie, er könnte … ?«
Byrne umklammerte die Hand der Frau und schüttelte den Kopf. »Er kommt da nicht mehr raus. Ich werde alles tun, damit er nie mehr auf freien Fuß gesetzt wird.«
Jessica wusste, was alles schief gehen konnte, vor allem bei einem Mordfall. Sie bewunderte Byrnes Optimismus. Als sie bei der Verkehrspolizei gearbeitet hatte, war es ihr oft schon schwer gefallen, den Leuten zu versichern, dass sie ihre Autos zurückbekommen würden.
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, Sir«, sagte die Frau und warf sich in Byrnes Arme; ihr Wimmern verwandelte sich in lautes Schluchzen. Byrne hielt sie behutsam fest, als bestände sie aus Porzellan. Er schaute Jessica mit einem Blick an, der sagte: Das ist der Grund . Jessica betrachtete das Bild von Deirdre Pettigrew im Fenster. Sie fragte sich, ob die Mutter es heute wegnehmen würde.
Althea beruhigte sich ein wenig und sagte dann: »Warten Sie hier, ja?«
»Klar«, sagte Byrne.
Althea Pettigrew verschwand im Haus. Sekunden später tauchte sie wieder auf und steckte Byrne etwas zu, umklammerte seine Hand und drückte sie zu. Als Byrne die Hand öffnete, sah Jessica, was die Frau ihm gegeben hatte.
Es war ein zerknitterter Zwanzig-Dollar-Schein.
Byrne starrte verblüfft auf den Schein, als hätte er nie zuvor amerikanisches Geld gesehen. »Mrs Pettigrew, das kann ich nicht annehmen.«
»Ich weiß, es ist nicht viel, aber es würde mir viel bedeuten.«
Byrne strich den Schein glatt und dachte kurz nach. Einen Augenblick später reichte er ihr das Geld zurück. »Ich kann nicht«, sagte er. »Die Gewissheit, dass der Mann, der Deirdre das angetan hat, im Gefängnis sitzt, ist Lohn genug für mich, glauben Sie mir.«
Enttäuscht musterte Althea Pettigrew den kräftigen Detective, der vor ihr stand, akzeptierte seine Entscheidung jedoch. Langsam, widerwillig nahm sie den Geldschein zurück und steckte ihn in die Tasche ihres Morgenrocks.
»Dann nehmen Sie das hier«, sagte Mrs Pettigrew. Sie hob die Arme und löste die dünne Kette von ihrem Hals. An der Kette hing ein kleines Silberkreuz.
Byrne versuchte, auch dieses Geschenk abzulehnen, doch Althea Pettigrews Blick ließ erkennen, dass sie es nicht dulden würde. Diesmal nicht. Sie hielt Byrne die Kette hin, bis er sie entgegennahm.
»Ich … danke, Madam«, stammelte er.
Gestern Frank Wells, heute Althea Pettigrew, ging es Jessica durch den Kopf! Ein Vater und eine Mutter, die Welten und nur ein paar Straßen trennten und die unvorstellbaren Kummer und Leid teilten. Sie hoffte, dass auch Frank Wells bald dieselbe Nachricht erhalten würde.
Obwohl Byrne es vermutlich zu verbergen suchte, bemerkte Jessica seinen beschwingten Gang, mit dem er sich trotz des Regengusses und der nervenaufreibenden Ermittlungen dem Wagen näherte. Sie konnte es verstehen. Alle Cops reagierten so. Die Genugtuung über einen Erfolg nach wochenlangen harten Ermittlungen veranlasste Byrne zu diesem kleinen Freudentanz. Wieder einmal hatte die Gerechtigkeit gesiegt.
Doch ihr Job hatte zwei Seiten.
Ehe sie in den Taurus stiegen, klingelte Byrnes Handy erneut. Er lauschte ein paar Minuten mit erstarrter Miene. »Gebt uns fünfzehn Minuten«, sagte er.
Er klappte das Handy zu.
»Was gibt’s?«, fragte
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