Byrne & Balzano 1: Crucifix
schüttelten wieder die Köpfe.
»Hat Tessa Dr. Parkhurst in der Schule aufgesucht?«
»Klar«, sagte Patrice.
»Mochte sie ihn?«
»Glaub schon.«
»Hat Dr. Parkhurst sich außerhalb der Schule mit ihr getroffen?«, fragte Jessica.
»Außerhalb der Schule?«
»Privat.«
»Was? Wie ein Date oder so?«, fragte Patrice. Sie verzog das Gesicht bei dem Gedanken, dass Tessa sich mit einem Mann getroffen haben könnte, der schon über dreißig war. »Nee.«
»Seid ihr jemals zu ihm gegangen, um euch von ihm beraten zu lassen?«, fragte Jessica.
»Klar«, sagte Patrice. »Das machen alle.«
»Worüber sprecht ihr mit ihm?«
Patrice überlegte. Jessica spürte, dass das Mädchen ihr etwas verschwieg. »Meistens über die Schule. College-Bewerbungen, die Aufnahmeprüfung fürs College und so was.«
»Habt ihr mal über private Dinge gesprochen?«
Die beiden Mädchen senkten die Blicke.
Bingo , dachte Jessica.
»Manchmal«, sagte Patrice.
»Worüber genau?«, fragte Jessica und dachte an Schwester Mercedes, die Beratungslehrerin an der Nazarene Academy gewesen war, als Jessica diese Schule besucht hatte. Schwester Mercedes hatte eine Statur wie John Goodman und machte immer ein finsteres Gesicht. Private Gespräche mit Schwester Mercedes bezogen sich höchstens darauf, dass man ihr versprechen musste, vor dem vierzigsten Lebensjahr keinen Sex zu haben.
»Ich weiß nicht«, sagte Patrice, die wieder Interesse an ihren Schuhen zeigte. »Irgendwas halt.«
»Habt ihr über die Jungen gesprochen, mit denen ihr euch getroffen habt? Zum Beispiel?«
»Manchmal«, sagte Ashia.
»Hat er euch je ermuntert, über Dinge zu sprechen, die euch unangenehm waren? Oder zu persönlich?«
»Ich glaub nicht«, sagte Patrice. »Kann mich nicht genau erinnern, wissen Sie.«
Jessica sah, dass sie nicht mehr aus den Mädchen herausbekam. Sie zog zwei Visitenkarten aus der Tasche und reichte jedem Mädchen eine. »Ich weiß, dass es schwer ist«, sagte sie. »Aber wenn euch etwas einfällt, das uns helfen könnte, den Kerl zu schnappen, der das getan hat, ruft uns bitte an. Oder wenn ihr einfach mit jemandem reden wollt. Okay? Zu jeder Tages- oder Nachtzeit.«
Ashia nahm die Visitenkarte schweigend entgegen und fing wieder an zu weinen. Patrice nahm die Visitenkarte und nickte. Wie ein eingespieltes Team Trauernder drückten die beiden Mädchen die zerknitterten Papiertaschentücher auf ihre Augen und tupften sie ab.
»Ich bin auch zur Nazarene Academy gegangen.«
Die beiden Mädchen wechselten einen Blick, als hätte Jessica soeben gesagt, sie habe einst die Hogwarts School besucht.
»Echt?«, fragte Ashia.
»Ja, wirklich«, sagte Jessica. »Schnitzt ihr noch immer eure Initialen unter die Bühne im alten Hörsaal?«
»Klar«, sagte Patrice.
»Dann schaut mal unter den Pfosten auf der Treppe, die unter die Bühne führt, auf der rechten Seite, dort findet ihr ein JG and BB 4ever .«
»Das sind Sie?« Patrice schaute skeptisch auf die Visitenkarte.
»Damals hieß ich Jessica Giovanni. Ich habe es in der zehnten Stufe ins Holz geritzt.«
»Wer war BB?«, fragte Patrice.
»Bobby Bonfante. Er ging zur Father Judge.«
Die Mädchen nickten. Die Jungen von Father Judge waren größtenteils unwiderstehlich.
»Er sah aus wie Al Pacino«, fugte Jessica hinzu.
Die beiden Mädchen schauten sich an, als wollten sie sagen: Al Pacino? Dieser Grufti? »Ist das der alte Mann, der in Der Einsatz mit Colin Farrel gespielt hat?«, fragte Patrice.
»Ein junger Al Pacino«, sagte Jessica.
Die Mädchen lächelten. Mit traurigen Mienen, aber sie lächelten.
»Und hat es mit Bobby für immer gehalten?«, fragte Ashia.
Jessica hätte den Mädchen gerne gesagt, dass es nie für immer hielt. »Nein«, sagte sie. »Bobby wohnt jetzt in Newark. Er hat fünf Kinder.«
Die Mädchen nickten, als hätten sie die ganze Problematik der Liebe und des Verlusts schon verstanden. Jessica hatte ihr Vertrauen zurück. Zeit, das Gespräch abzubrechen. Sie würde es später noch einmal versuchen.
»Ach, übrigens, wann fangen eigentlich die Osterferien an?«
»Morgen«, sagte Ashia, deren Tränen allmählich versiegten.
Jessica zog die Kapuze über den Kopf. Der Regen hatte ihr Haar, das sie heute Morgen nur flüchtig frisiert hatte, zwar bereits ruiniert, aber jetzt goss es in Strömen.
»Darf ich Sie was fragen?«, fragte Patrice.
»Sicher.«
»Warum … hm … sind Sie Polizistin geworden?«
Ehe Patrice ihre Frage gestellt hatte, wusste
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