Byrne & Balzano 1: Crucifix
dich wieder zu sehen«, sagte sie zu Nick.
Palladino lächelte. Es war ein gefährliches Lächeln.
»Wie geht es dir, Jess?«
»Danke, gut.«
»Und was macht die Familie?«
»Alles bestens.«
»Willkommen in diesem Theater«, fügte er hinzu. Auch
Nick Palladino war erst seit einem Jahr bei der Mordkommission, hatte sich dort aber schnell eingearbeitet. Wahrscheinlich hatte er von Jessicas Trennung gehört, doch er war ein Gentleman. Außerdem war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um private Gespräche zu führen.
»Eric und Nick arbeiten bei der Fahndung«, erklärte Byrne.
Die Fahndung war eine der drei Abteilungen der Mordkommission. Sonderermittlungen und das Dezernat, das neue Fälle bearbeitete, waren die beiden anderen. Wenn es galt, einen schwierigen Fall zu lösen, oder wenn das Rad außer Kontrolle geriet, mussten alle Cops der Mordkommission zusammenarbeiten.
»Habt ihr einen Hinweis auf den Namen des Opfers?«, fragte Byrne.
»Noch nicht«, erwiderte Palladino. »In ihren Taschen haben wir nichts gefunden. Kein Portemonnaie und keine Brieftasche.«
»Sie hat die Regina Highschool besucht«, sagte Jessica.
Palladino machte sich Notizen. »Ist das die Schule in der Broad Street?«
»Ja. Broad und CB Moore.«
»Ist es dieselbe Mordmethode wie in eurem Fall?«, fragte Chavez.
Kevin Byrne nickte.
Allein der Gedanke, dass sie es mit einem Serienkiller zu tun haben könnten, ließ allen Ermittlern das Blut in den Adern gefrieren und warf weitere Schatten auf den düsteren Tag.
Kaum vierundzwanzig Stunden waren vergangen, seitdem sie die Leiche in einem feuchten, stinkenden Keller eines Reihenhauses in der Achten Straße gefunden hatten, und jetzt standen sie in einem üppigen Garten mit wunderschönen Blumen.
Zwei Mädchen.
Zwei tote Mädchen.
Alle vier Ermittler beobachteten Tom Weyrich, der sich neben die Leiche kniete. Er schob den Rock des Mädchens hoch und untersuchte es.
Als er aufstand und sich zu den Detectives umdrehte, war seine Miene finster. Jessica wusste, was das zu bedeuten hatte. Das Mädchen hatte im Sterben dieselbe Schmach erlitten wie Tessa Wells.
Jessica schaute Byrne an. In ihm stieg nackte, ungezügelte Wut auf, Emotionen, die weit über den Job und das Pflichtbewusstsein hinausgingen.
Ein paar Minuten später trat Weyrich zu ihnen.
»Wie lange liegt sie schon hier?«, fragte Byrne.
»Mindestens vier Tage«, sagte Weyrich.
Jessica rechnete nach, und ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Das Mädchen war ungefähr zu dem Zeitpunkt hier abgelegt worden, als Tessa Wells gekidnappt wurde. Dieses Mädchen hatte der Täter zuerst ermordet.
An dem Rosenkranz des Mädchens fehlte ein Gebetsabschnitt. An Tessas fehlten zwei.
Das bedeutete, dass sie von den unzähligen Fragen, die wie die dunklen Regenwolken auf sie einstürmten, eine beantworten konnten. Es gab in diesem Sumpf der Ungewissheiten eine Gewissheit, eine Wahrheit, eine entsetzliche Tatsache.
Jemand tötete die katholischen Schülerinnen in Philadelphia.
Und wie es aussah, hatte das Grauen gerade erst begonnen.
________________ D RITTER T EIL
22.
Dienstag, 12.15 Uhr
U m die Mittagszeit verdammte sich die SoKo, die den Rosenkranz-Killer jagen sollte.
Es war Gesetz, dass Sonderkommissionen von den Bossen des Dezernats organisiert und genehmigt wurden, nachdem sie über die Dringlichkeit entschieden hatten. Und das hatte natürlich mit der politischen Brisanz des Falles zu tun. Trotz der schönen Worte über die Gleichbehandlung aller Mordopfer wurden mehr Detectives und mehr Mittel zur Verfügung gestellt, wenn es sich um wichtige Personen handelte. Wenn jemand Drogendealer oder Bandenmitglieder oder Prostituierte umlegte, war das eine Sache. Wenn jemand katholische Schulmädchen tötete eine andere. Katholiken hatten Gewicht.
Bereits gegen zwölf Uhr war ein großer Teil der notwendigen Recherchen vorgenommen worden, und erste Laborergebnisse lagen vor. Die Rosenkränze beider Mädchen waren identisch und in einem Dutzend Geschäften in Philadelphia, in denen man religiöse Artikel kaufen konnte, erhältlich. Ermittler erstellten bereits Kundenlisten. Die fehlenden Perlen wurden an beiden Tatorten nicht gefunden.
Aus dem vorläufigen Bericht des Gerichtsmediziners ging hervor, dass der Killer mit einem spitzen Bohrer die Löcher in die Hände der Opfer gebohrt hatte. Die Hände der Mädchen waren mit einer
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