Byzanz - Konstantinopel - Istanbul
aus taktischen Erwägungen resultiert haben, zumal ein Großteil der höheren
Gesellschaft noch den alten Religionen anhing.
Die Neugründung Konstantinopels bedeutete keine komplette architektonische Neuordnung, sondern baute auf den Maßnahmen des
Septimius Severus auf und führte teilweise unter diesem begonnene Projekte zu Ende. Die vorhandenen Tempel ließ Konstantin
weiterhin bestehen und auch zum Teil restaurieren, wenngleich sie nun ohne Einkünfte auskommen mussten. Er ließ sogar noch
zwei zusätzliche Tempel errichten. Aus allen Teilen des Römischen Reichs ließ er Reliquien herbeibringen, um die sakrale Bedeutung
herauszustellen, sowie Plastiken und bildnerische Monumente ins neue Zentrum transportieren, um das Fehlen der lokalen Tradition
zu kompensieren. Kostbare Statuen, etwa aus Delphi und Olympia sowie aus anderen alten Kultstätten Griechenlands, wurden herangeschafft,
was den Kulturhistoriker Jacob Burckhardt im 19. Jh. zu der Äußerung veranlasste, es handelte sich »um den schändlichsten
und massenhaftesten Kunstraub der ganzen Geschichte, zum Behuf der Ausschmückung einer neuen Hauptstadt.« Das Fehlen einer
Kunsttradition begründet sich in der Funktion des alten Byzantion, das in erster Linie Handelsstadt war und keine größere
kulturelle Bedeutung erlangte, wie dies etwa bei den zahlreichen anderen griechischen Städten der Fall gewesen ist. Somit
brachte das Engagement der ersten Kaiser beim Wiederaufbau mit sich, dass Handwerker, Künstler und mit ihnen die Bautraditionen
und Stile aus allen Reichsteilen nach Konstantinopel eingeführt wurden. Hier vereinigten sich infolgedessen der gesamte Formenschatz
und die Handwerkskunst insbesondere des Oströmischen Reichs an einem Ort, von wo aus sie später wiederum in neuer Form weitergegeben
wurden.
Während heute Istanbul dicht bebaut ist, versuchte Konstantin I. durch verschiedene Anreize die Bevölkerung des Reichs als
Zuwanderer für sein »neues Rom« zu begeistern.
Zuwanderung erwünscht!
Trotz der Anknüpfung an die Baumaßnahmen des Septimius Severus scheint es durchaus gerechtfertigt zu sein, nicht einfach |17| von einer städtebaulichen Erweiterung zu sprechen, sondern in Konstantinopel eine Neugründung zu sehen. Konstantin übernahm
zwar die über Jahre gewachsenen Strukturen, jedoch erweiterte er die Stadt, die wie das Vorbild Rom auf sieben Hügeln lag,
um ein Vielfaches. Nicht dass diese Ausweitung durch einen Bevölkerungszuwachs zwingend notwendig geworden wäre; Konstantin
stiftete sogar Mittel für die weniger betuchte Bevölkerung als Anreiz zur Übersiedlung nach Konstantinopel und schaffte neue
Privilegien (
ius Italicum
), um alteingesessene, angesehene Familien Roms hierherzulocken. Desweiteren wollte man Zuwanderer durch großzügige Getreidezuteilungen
anziehen. Hierfür wurden extra im Hafenareal sowie im südlichen Bereich der Landzunge große Magazine für die Getreidelagerung
errichtet. Als weiteres Mittel für die Darstellung der Bedeutung der Stadt nutzte er die Münzprägung, mit der sich Konstantinopel
als Rom ebenbürtig präsentierte. All diese Bemühungen, die Stadtbevölkerung zu vergrößern, zeitigten jedoch zunächst eher
bescheidenen Erfolg.
Das Schema des Stadtplans unterschied sich deutlich vom Rasternetz, das in der Kaiserzeit häufig der städtebaulichen Konzeption
zugrunde lag. Wenngleich aufgrund der intensiven Bautätigkeit über Jahrhunderte heute keine detaillierte Aussage über den
Gründungsplan mehr getroffen werden kann, so zeigt sich doch, dass die Hauptstraßen fächerförmig auseinanderliefen und über
Querachsen miteinander verbunden waren. Dazwischen lagen teilweise frei bebaubare Flächen. Wichtige repräsentative oder sakrale
Bauwerke bzw. Anlagen wurden an herausragenden Stellen der hügeligen Stadt errichtet. Einige bereits unter Septimius Severus
begonnene Großprojekte ließ Konstantin fertigstellen, wie etwa den Hippodrom oder die Zeuxipposthermen. Die Stadtfläche wuchs
auf ungefähr 6 km 2 an und wurde zum Landesinneren hin mit einer neuen Mauer, deren Verlauf sich heute nur bedingt rekonstruieren lässt, befestigt.
Es entstanden ein Straßennetz, eine Wasserversorgung mit Zisternen und Wasserleitungen, Hafenanlagen und Speicherbauten. Auf
dem kreisförmigen Konstantinsforum mit Verwaltungsbauten und Sklavenmarkt wurde im Jahr 328 eine große, ursprünglich etwa
50 m hohe Säule aus Porphyr mit einem
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